Wenn man es nicht ändern kann
[…] Sei gelassen und akzeptiere die Dinge, die du nicht ändern kannst.
Sei mutig und ändere die Dinge, die du ändern kannst.
Sei so weise, das eine vom anderen zu unterscheiden. […](Meine Interpretation zum Gelassenheitsgebet)
Japan und das Reisen hatte mich verändert. Das wurde mir auf meiner Okinawa Reise zum ersten Mal klar.
„Du bist aber ruhig geworden und irgendwie so unbekümmert, seit du in Japan lebst!“
„Du machst mich mit deiner Leichtigkeit wahnsinnig. Kannst du mir nicht genau erklären, was du wann und wie vorhast, damit ich danach planen kann?“
„Du hast sie doch nicht mehr alle! Wie kannst du bloß so leichtsinnig sein!“
Erst hier mit dem Fahrrad auf Okinawa wurde mir richtig bewusst, wie Recht die Leute damit hatten, wenn ich solche Sätze zu hören bekam.
Auf dem Rad hatte ich endlich mal die Ruhe und die Zeit, nachzudenken. Und bemerkte zum ersten Mal, wie mein Leben in Japan meine Persönlichkeit täglich beeinflusste.
Ich bin kein anderer Mensch geworden
Das nicht. aber ich habe dazu gelernt.
Ich erinnerte mich an die Daniela aus Deutschland:
- Die sich vor ihrer Reise Sorgen gemacht hatte. Sorgen, die sich als absolut unnötig herausstellten.
- Die schnell mal ausgeflippt war, wenn sie im Stau stehen musste.
- Die sich grundlos geärgert hatte, wenn das Wetter schlecht war.
- Die ungeduldig wurde, wenn es nicht voran ging…
Die Daniela in Japan gefiel mir wesentlich besser!
Naturgewalten müssen akzeptiert werden
Es war der Taifun Nummer 9, der mich nach Ujibaru, ins Oyado Nangoku brachte. (Wie ich dahin kam habe ich im letzten Teil erzählt.)
Der Taifun hatte uns hier zusammengeführt und uns gezeigt: Manche Dinge kann man einfach nicht ändern, die muss man so akzeptieren, wie sie nun mal sind. Sich darüber ärgern nutzt wenig. Stattdessen einfach akzeptieren und das Beste aus der Situation machen:
eine Taifun-Party feiern!
Der Taifun hatte mich zum Zwischenstopp gezwungen.
„So schaff‘ ich das nie, Okinawa Honto und dann noch weiter zu den nächsten Inseln. Wie soll ich denn so alle Empfehlungen im Reiseführer besuchen? Und dabei hab ich mir doch extra schon einen Monat dafür Zeit genommen.“ Ich hatte mir das mit der Reise irgendwie anders vorgestellt.
Ich war nun schon eine ganze Weile unterwegs und hatte das Gefühl, nicht voran zu kommen. Noch immer befand ich mich keine 20 Kilometer von meinem Ausgangspunkt Naha entfernt. Mit dem Auto keine 30 Minuten!
Party Vorbereitungen
Während alle Bewohner des Hostels gemeinsam bei den Vorbereitungen für die Party halfen, lernten wir uns kennen.
Ich war in der Einkaufsgruppe. Wir schleppten massenweise alkoholische Getränke und Essen durch den Wind nach Hause. Eine andere Gruppe war für’s Kochen zuständig: Spaghetti Bolognese.
Und am Ende sassen wir gemeinsam im Aufenthaltsraum des Hostels, aßen italienisch, tranken japanisch-deutsch (Awamori und Bier), redeten englisch-japanisch, machten Ryukyu-Musik auf der Sanshin und tanzten wild … die ganze Nacht … während der Wind an unserem Haus rüttelte.
Es wurde eine außergewöhnliche Nacht mit ganz besonderen Menschen. Wir tanzten albern wie Kinder und philosophierten wie Erwachsene. Wir vertrauten uns unsere Sorgen und Wünsche an, und unsere Ängste und Hoffnungen.
„Morgen bitte keine Kopfschmerzen und keinen Kater. Bitte, bitte, nicht!“ Diese Sorge-Wunsch-Angst-Hoffnung hatte wir alle!
Entscheidungen treffen
Jetzt musste ich mich langsam entscheiden, wie ich weiter reisen wollte und noch in dieser Nacht reservierte ich mir mein Bett hier für die Zeit während des Eisa-Festivals.
Na Gut. Den Wett-Tanz um zwei Nächte zum Preis von einer, welchen ich im letzten Moment für mich gewinnen konnte, gab mir den letzten Schubs.
Wenn schon, denn schon. Den Rückflug nach Haneda / Tokyo buchte ich auch gleich noch im Anschluss. Ise-San, der Besitzer des Hostels versprach, mich zum Flughafen zu fahren – der Flug sollte um 3:20 Nachts von Naha aus gehen.
Eine solche Chance ergreife ich gerne!
Damit warf ich meine ursprünglichen Pläne endgültig über den Haufen – Inselhopping und so – aber es fühlte sich in diesem Moment sehr gut und richtig an und ich freute mich schon sehr, die letzten Tage meiner Reise hier zu verbringen.
Mit meinem internetfähigen Handy – kein Smartphone wie heute, sondern ein kleines Klapphandy – buchte ich mir bei der Fluglinie Peach einen Flug am 22. August. Das kostete mich 23.400 Yen (Kreditkarte belastet, Geldproblem für Rückfahrt gelöst – lese den alten Artikel, wo ich feststelle, dass ich meine Bankkarte vergessen hatte!)
Mein erster Kauf mit einem Handy war das damals. Im Sommer 2006. Darauf mussten wir anstoßen.
Verwüstungen des Taifuns
Verkatert, aber glücklich saßen wir morgens alle wieder im Aufenthaltsraum und schauten uns die Nachbarschaft nach dem Taifun an. Die ersten Holzbarrikaden vor den Fenstern wurden wieder abgenommen und alles war heil geblieben. Nur der Aufenthaltsraum sah schlimm aus. Als hätte der Taifun hier durchgefegt. Aber es waren nur 8 verrückte Japanerinnen und Japaner und eine Deutsche.
Der Wind blies noch immer kräftig und so blieb ich einfach noch eine Nacht. Der Kopf konnte noch ein wenig Ruhe brauchen und die After-Party wollte ich nur ungerne verpassen.
Weiter ging es für mich erst am Mittag des folgenden Tages nach Yomitan, zum bekannten Cape Zampa.
Aber vom Hippiedorf am Meer, amerikanischen Soldaten, dem Tag des Friedens, dem besten Taco-Rice meiner Reise, Wiedersehen mit Freunden und einer traurigen Geschichte, davon erzähle ich dir dann im nächsten Teil.
Das Gelassenheitsgebet, mit dem ich diesen Artikel gestartet habe, gibt es auch in Japan. Es nennt sich hier Heian no inori • 平安の祈り • das Friedensgebet und lautet in etwa so:
神よ、恩寵を私に与えて下さい
変えられないものを静穏に受け入れるために
与えて下さい
変えるべきものを変える勇気を
そして、変えられないものと変えるべきものを
区別する賢さを私に与えて下さい
[…]
アーメン
Den gesamten Text (übersetzt aus dem Amerikanischen) findest du in diesem Wikipedia-Artikel, den japanischen Wortlaut gibt es HIER.
Okinawa Reisebericht: Yomitan & Inbu | Meine Ankunft wird gefeiert
Geschichten einer ganz besonderen Japanreise | Okinawa mit dem Fahrrad
2005 bin ich mit dem Fahrrad für einen Monat in Okinawa gereist. Damals arbeitete ich als Englischlehrerin an einer japanischen Junior-Highschool in Fukushima und hatte den Sommer frei. Meine Anreise mit Regionalzügen und Containerschiff, die Suche nach einem geeigneten Fahrrad und was ich sonst schon erlebt habe, kannst du hier nachlesen:
Hat du das auch schon mal erlebt? Wie dich ein Land verändert?
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