Endlich ist es soweit.
Die 48 Stunden Anreise von Fukushima nach Okinawa ist fast geschafft und jetzt bin ich das Unterwegs-sein auch langsam leid.
Deshalb macht mein Herz einen kleinen Hüpfer, als ich in Naha an Land gehe. Zusammen mit Tom, dem netten Kanadier, den ich auf dem Containerschiff kennengelernt habe, geht es mit dem Bus in die Stadt. Gemeinsam steuern wir mein reserviertes Guesthouse an: Das Ghetto.
Es handelt sich hier um ein Minshuku, ein familiengeführter Backpacker ganz im Sinne des Rucksackreisenden: in guter Lage (in Stadt- und Strandnähe), mit günstiger Übernachtungsmöglichkeit in einem Schlafsaal, alles sehr sauber und dazu nette Gastgeber, mit denen ich schon einige E-Mails ausgetauscht habe.
Für meinen Begleiter geht es an diesem Tag noch weiter – über Nacht fährt Tom mit der Fähre nach Ishigaki-jima.
Den Tag in Naha will er nutzen, um sich die Stadt anzusehen und hat sich extra eine Liste dazu gemacht.
Sehr praktisch. Muss ich mich jetzt nicht mehr darum kümmern und wir können gleich loslegen, die Sehenswürdigkeiten der Stadt abzuhaken.
Der Tag morgen kann dann ganz im Zeichen der großen Suche nach dem passenden Fahrrad stehen.
Herzlich willkommen im Ghetto
Der Empfang im Ghetto ist wirklich toll, sodass ich mich auf Anhieb wohlfühle. Die Besitzer des Guesthouses, ein junges japanisches Ehepaar, bieten Tom gleich freundlicherweise an, seinen Rucksack bis zum Abend aufzubewahren.
Zuerst erhalten wir eine Tour durchs Haus und mich begeistert sofort die tolle Atmosphäre und die herzliche Art der Besitzer. Die beiden sind selbst leidenschaftliche Backpacker und nehmen sich jedes Jahr ein paar Monate „Urlaub“. Sie erzählen uns von ihren Motorradreisen durch Asien, Indien oder Südamerika. Das Haus ist voller Reiseerinnerungen der beiden Reiseliebhaber und sofort habe ich wieder dieses angenehme Gefühl, zurück auf meiner Weltreise zu sein.
Als ich von meinem Plan erzähle, mit dem Fahrrad die Inseln zu erkunden, sind die beiden begeistert. Zum ersten Mal treffe ich Menschen, die keine Bedenken äußern, sondern mich in meinem Vorhaben unterstützen wollen. Sie werden mir morgen ein paar Tipps geben, wo ich mich nach einem günstigen Fahrrad umschauen kann.
Das Minshuku stellt auch Fahrräder für seine Gäste bereit. Ich dürfe auch gerne eines der Räder für meine Reise nutzen. Als kostenloses Angebot des Hauses.
„Toll, wäre das Problem also auch gelöst.“, denke ich. „Läuft ja alles wie geschmiert hier!“
Mit dem Fahrrad auf Tour durch Naha
Tom ist auch auf den Geschmack mit dem Fahrrad gekommen und so entscheiden wir kurzerhand, seine Liste mit den Rädern abzuklappern.
Abklappern ist hier genau das richtige Wort, denn schon nach wenigen Metern auf dem Rad wird mir klar: das Leihfahrrad und ich werden auf Dauer keine Freunde.
Allein schon, weil die Klapperräder keinen Gepäckträger haben, sondern nur ein kleines Körbchen vorne am Lenkrad. Aber für einen Tag durch die Stadt wird es schon gehen.
Die Sehenswürdigkeiten von Naha – Toms Liste
✓ Kokusai dori / Die internationale Straße
Die Vergnügungsmeile der Stadt, bei Tag und in der Nacht.
Hier gibt es viel zu sehen. Dazu viele Souvenirläden und Reisebüros. Die Straße hat was. Vor allem die Kunst an den Hausfassaden lädt zum Fotografieren ein (siehe Titelbild).
✓ Heiwa dori / Die Friedensstraße
Eine überdachte Einkaufspassage mit einem Hauch von Asien. Angenehm kühl ist es hier und schon allein deshalb lohnt sich der Besuch.
Alles so schön bunt, da freut sich das Auge und die Kamera (meine nicht, die große Spiegelreflex liegt im Rucksack im Guesthouse). Die vielen Obstständen verkaufen allerhand exotische Früchte und exotische Läden mit ungewöhnlichem Sortiment bringen mich zum Schmunzeln. So staune ich nicht schlecht über einen „Laden”, der nur Katzenfutter verkauft.
✓ Die Markthalle
Sie liegt etwas versteckt in der Passage und ist auf jeden Fall sehenswert. Man bekommt einen guten Einblick in die kulinarische Welt von Okinawa geboten. An jeder Ecke können wir eine Kleinigkeit probieren (sehr schweinelastig das Ganze).
Man kann hier auf dem Markt Fleisch oder Fisch kaufen und es beim Koch an einem der Essenstände abgeben. Er zaubert dann daraus etwas Köstliches à la Okinawa.
Wir sind von den ganzen Häuten, Ohren, Beinchen, Schwänzen und anderen Teilen vom Schwein ziemlich überfordert und wählen daher einfach die Spezialität des Chefkochs. Der geht daraufhin selbst kurz los, um die Zutaten zu besorgen. Am Ende steht ein köstlich duftender Teller mit gebratener Gemüse-Schweinefleisch-Pfanne vor uns auf dem Tisch.
Auch Fisch und alles aus dem Meer gibt es hier zu bestaunen. Der Verkäufer hinter dem Aquarium mit den bunten Fischen rät uns aber tatsächlich vom Fisch auf Okinawa ab.
„Hä?! Jetzt bin ich hier auf einer Insel, umgeben vom großen Meer, und soll keinen Fisch essen?“
Wir werden aufgeklärt: Das Meer hier ist sehr warm, da schaut man sich die Fische lieber beim Schnorcheln oder beim Tauchen an. Der Fisch schmeckt um einiges besser, wenn er aus kalten Gewässern kommt.
Er geht davon aus, dass wir in Osaka oder Fukushima deutlich besseren Fisch bekommen, daher will er uns vor einer Enttäuschung bewahren und empfiehlt uns …
…Schwein.
✓ Tsuboya / das Töpferviertel
Heimat vieler kleiner Töpferwerkstätten mit Brennöfen an jeder Ecke.
Verkaufsschlager sind die Shisafiguren, für die Okinawa so bekannt ist. Das Souvenir gibt es hier in jeder Größe. Auch Karaffen für Sake oder Awamori, dem regionalen Schnaps, bekommt man hier in allen Formen und Farben.
✓ Das Töpfermuseum auf der Liste lassen wir aus, denn uns rennt die Zeit bereits davon.
Auf den Spuren des alten Ryukyu-Reiches
✓ Sogen-ji
Das Stadttor am östlichen Ende der Kokusai dori und Eingang zur Ryukyu-Tempelanlage.
✓ Fukushu-en
Eine Gartenanlage, die einen ins chinesische Fushou vesetzt. Ein Park mit Pagoden und Wasserfall, wie ich sie zu Hunderten in China gesehen habe.
✓ Nami-no-ue Strand
Der bekannteste Stadtstrand Nahas verfügt über eine Wasserwache, Duschen, WCs und ist mit Netzen ausgestattet, die die bösen Quallen fernhalten.
Eine Abkühlung im Meer könnten wir ganz gut vertragen. Wir sind schon ganz schön durchgeschwitzt. Aber leider haben wir keine Schwimmsachen dabei.
Mittlerweile brennt die Mittagshitze schonungslos und es ist unerträglich heiß auf dem Fahrrad. Wir sind uns schnell einig: Fahrräder zum Guesthouse zurückgebracht und ab in den klimatisierten Bus zur bekanntesten Sehenswürdigkeit Nahas (Das wäre auch ganz schön weit gewesen und dazu noch bergauf, dachte die, die sich eine Fahrradreise in den Kopf gesetzt hat.)
Das Weltkulturerbe Okinawas
✓ Das Shuri Viertel
Bis 1879 der Herrschersitz des alten Ryukyu Reiches. Die Burganlage mit zahlreichen Tempeln und Schreinen wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört, aber originalgetreu wieder aufgebaut und ist absolut sehenswert.
✓ Shurijo-koen / Shurijo Park
gehört ebenfalls zur Anlage. Hier befindet sich das Wahrzeichen Okinawas:
✓ Shuri-no-mon
Ein Tor in der Burgmauer, welches es sogar auf einen japanischen Geldschein geschafft hat!
Auf dem Burggelände kann man locker einen ganzen Tag verbringen, denn es gibt unglaublich viel zu sehen.
✓ Das Museum der Präfektur Okinawa muss aus Zeitgründen leider auf unseren Besuch verzichten, sollte aber in der Liste der Sehenswürdigkeiten nicht fehlen.
So, die Sehenswürdigkeiten von Naha hätten wir geschafft! Und wir sind es auch!
Zurück im Guesthouse bleibt gerade noch Zeit für ein kühles Orion-Bier zum Abschied und dann macht Tom sich auf den Weg zum Hafen. Vielleicht treffen wir uns auf Ishigaki-jima ja wieder, wer weiß.
Die Sightseeing-Tour war anstrengend und vor allem die Hitze macht mich fertig, die hatte ich unterschätzt. Und da ich morgen früh raus will, um ein Fahrrad zu finden, beschließe ich, nur noch ein kühles Bier und eine Kleinigkeit zu essen und dann ab in mein Bett.
Planänderung
Dass solche Pläne meistens zum scheitern verurteilt sind, habe ich bereits mehrfach auf meinen Reisen erlebt. Als eine Japanerin mit einem Sixpack Orion-Bier den Aufenthaltsraum betritt, habe ich bereits so eine Ahnung. Ich kann lange Nächte im Voraus spüren. Ein Talent, dass mich im Leben leider nicht wirklich voran gebracht hat.
Namie, die Japanerin mit dem Bier, will auch früh schlafen gehen, nur noch ein kühles Bier und eine Kleinigkeit essen. Passt ja super zu meinem Plan.
Also ziehen wir gemeinsam los und sitzen wenig später an der Theke einer Kneipe – in Japan Izakaya genannt. Essen gibt es auch, aber der Schwerpunkt hier wird definitiv auf die Getränke gelegt.
Hinter der Bar steht Ryo und zeigt uns seine Habu-Sake Sammlung. In der Flasche mit hochprozentigem Awamori, dem bekannten Schnaps der Insel, ist die noch bekanntere Habu-Schlange eingelegt.
Zusammen mit zwei Freunden des Barbesitzers, dessen Namen irgendwie zwischen den Awamori verloren gegangen sind, trinken wir uns einmal durch die Sammlung.
✓ Die Habu Schlange kann ich somit auch gleich mal abhaken.
Nicht ganz unbegründet haben mich ja schon vorab alle vor dem lebensgefährlichen Reptil gewarnt. Aber heute lerne ich die wirkliche Gefahr kennen: die Schlange am Fuße der Schnapsflasche.
Ob ich morgen fit genug bin, mir ein Fahrrad zu kaufen?
Einer der Jungs bietet an, er könne Namie und mich mit dem Auto rumfahren und uns die Insel zeigen. Die Sehenswürdigkeiten der Hauptinsel Okinawa-Honto könne man mit dem Auto locker innerhalb eines Wochenendes abklappern.
Nettes Angebot, aber wir haben beide schon andere Pläne. Namie fliegt zurück nach Kagoshima und ich will auf die Insel Aka-jima. Die hat mir Namie empfohlen und ich habe endlich einen Plan.
Wie so ein Tag nach zuviel Awamori aussieht, erfährst du dann beim nächsten Mal.
Wie planst du deine Sightseeing-Tour in einer Stadt für gewöhnlich?
Sehr schöner Bericht. 🙂 Den 2000 Yen Schein habe ich bisher nur einmal in den Händen gehalten. Den bekommen meist Touristen von Banken aus Europa ausgehändigt, weil die von den Japanern gar nicht genutzt werden. Findet man also eher selten in Japan. 😉
Viele Grüße aus Tokio
Tessa
Dankeschön.
Den 2000 Yen Schein hab ich vor langer Zeit mal in die Finger bekommen, als ich im Café gearbeitet habe.
Den sieht man ansonsten wirklich selten, stimmt.
Liebe Daniela,
Was für ein toller und ausführlicher Bericht! Ich würde wirklich gerne auch nach Japan, aber ich fürchte, das dauert noch… Wenn es dann soweit ist, weiß ich aber wenigstens, wo ich die passenden Infos finde 😉
Fahrradfahren ist übrigens so überhaupt nicht meins. Nie gewesen und wird es wohl nie sein. Dann lieber mit einem Roller Inseln erkunden 😀
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
um das Ende dieser langen Artikelserie schon mal eines vorweg zu nehmen: beim nächsten Mal wähle ich den Rollen oder den Winter. Oder gleich beides 😉
Liebe Grüße,
Daniela
Ein Hoch auf Tom und Namie 😀 Das Schöne am Allenreisen ist, dass man eigentlich gar nicht alleine ist!
Das hast du schön gesagt. Da werd‘ ich gleich mal in einem meiner nächsten Artikel zitieren, wenn ich darf. (Der übernächste, um genau zu sein, wenn ich dann mal endlich alleine bin!)
Ein sehr schöner und ausführlicher Bericht und Abenteuer pur.
Vielen Dank. Vielleicht etwas zu ausführlich, wie ich gerade selbst feststellen.
In Zukunft kürze ich wohl besser etwas 😉
Toller Bericht. 🙂
Ich war noch nie in Japan aber möchte auf jeden
Fall mal hin! 🙂
XX,
http://www.ChristinaKey.com
♥
Dankeschön. Ich kann es nur empfehlen 😉
Wahnsinn … über die 48 Stunden Reise bin ich immer noch am Staunen. Ich hätte da schon entnervt aufgegeben.
Das Erlebte macht es sicherlich wett … und ich schmunzle darüber, dass es scheinbar Shops gibt, die nur Katzenfutter verkaufen. In Asien ist halt alles möglich 😉
Du hast da vollkommen recht: etwas nervig schon, aber ein unvergessenes Erlebnis 😉
Ja, der „Katzenfuttershop“ ist eigentlich nur ein einziger Ständer mit 10 Packungen. Auf dem Foto ist das leider sehr schlecht zu erkennen.
Ich mag deine Berichte sehr gerne. Du hast mir tatsächlich Japan etwas näher gebracht. Danke dir.
Oh Mensch, das freut mich wahnsinnig. Lieben Dank