[Update: Juli 2023]
Am 11. August 2016 war es soweit. Da feierte Japan zum ersten Mal den Feiertag zu Ehren des Berges, der 2014 beschlossen wurde.
Genau wie beim Umi no Hi • 海の日 dem Tag des Meeres, steht die Natur wieder im Vordergrund.
Wie wird gefeiert?
Eine gute Frage?.
Ich habe ihn nie selbst erlebt, lebe seit 2009 in Deutschland und war zum Feiertag nie vor Ort in Japan!
Ob alle auf die Berge strömen, kann ich also nicht sagen.
Ich habe meine Schwiegermutter dazu befragt. Die ist Japanerin und sollte es wissen.
Meine Schwiegermutter meinte: „In Japan soll jeder Monat in Zukunft einen Feiertag habe, weil alle soviel arbeiten und von alleine keinen Urlaub nehmen.“
Ich fragte weiter, ob sie etwas besonderes geplant hätten am Tag des Berges. Meine Schwiegereltern sind beide bereits in Rente gegangen. Darauf wies sie mich nochmal hin und meinte nur: „Ach, seit wir nicht mehr Arbeiten, ist jeder Tag für uns ein Feiertag! Auf einen Berg klettern wir jedenfalls nicht.“ Ein bisschen kenne ich die beiden schon, und hatte mir das fast gedacht.
Mit dem Wandern haben es die beiden nicht so. Sie haben ihre eigene Art, Berge zu bewundern:
Unser Ausflug in die Berge
Als ich die japanische Familie meiner damaligen „Urlaubsliebe“/Daisuke zum ersten mal im Sommer 2003 traf, da dachten alle, ich sei auf der Durchreise und würde nur ein paar Tage bleiben. Ich war die ausländische Besucherin. Dass ich mal ihre Schwiegertochter werden würde, daran dachte damals noch niemand.
Deshalb wurde die erste Woche meines Aufenthaltes bei der Familie in Fukushima eine ganz besondere Zeit des Reisens.
In dieser einen Woche versuchten Daisukes Eltern, gastfreundlich wie sie nun mal sind, mir soviel wir möglich von der Gegend zu zeigen.
Gleich am Wochenende fuhren wir mit dem Auto die berühmte Fukushima Sky Line hinauf, besser bekannt als Bandai-Azuma Skyline 磐梯吾妻スカイライン. Damals musste man noch für die Schönheiten auf der Strecke dieser Straße durch die Berge eine Maut zahlen, seit 2013 ist die Benutzung umsonst.
Nie vergessen werde ich die wunderschöne Berglandschaft, die ich auf dieser knapp 30 km langen Strecke sah.
Nur wenige Wochen zuvor waren Daisuke und ich in überfüllten Bussen und auf deren Dächern oder in fremden Trucks durch die nordindische Berglandschaft gereist: durch Ladakh und durch das Kashmir Gebiet.
Jetzt saßen wir beide auf der Rückbank einer deutschen Luxuslimousine und kamen uns vor wie ein Maharadscha mit seiner Maharani. Wir schauten durch die getönten Scheiben unseres klimatisierten Fahrzeuges und dachten wohl beide das Gleiche: „verrückte Welt, aber so ist es manchmal auch ganz schön!“
Die Fahrt ging hinauf zum Fuße eines Vulkan: der Azuma wird auch gerne als der kleine Fuji bezeichnet und daher liebevoll Azuma-Kofuji • 吾妻小富士 genannt, weil er so gleichschenklig ist, wie sein großer Bruder.
Hier hielten wir natürlich an und machten uns gleich auf den Weg zum Krater.
Dachte ich jedenfalls.
Wir gingen die 100 m bis zum Ende des Holzweges. Dort gab es eine Erklärungstafel, die studiert wurde und für ein paar „Wir-waren-da-Fotos“ herhalten musste. Und dann gings auch schon wieder zurück zum Auto.
Auf der Rückbank im gekühlten Wagen sitzend, hatten Daisuke und ich wieder die gleichen Gedanken: „Da wäre ich gerne hochgelaufen. Hätte zu gerne gewusst, wie es da im Krater aussieht.“
Aber es stand noch viel auf dem Programm an diesem Tag: Aizu, der See Inawashiro inklusive Speedboat-Tour (die soviel gekostet hat wie ein Monat meiner Indienreise!!!) und Soba essen in Aizu-Wakamatsu mit Besichtigung der Burg dort.
Eine 2 Stunden Wanderung inklusive Kraterumrundung war deshalb leider nicht drin und Daisukes Eltern trugen auch nicht das passende Schuhwerk zum Wandern.
Die vielen Touren durch die Berge Tohokus im Auto in meiner ersten Woche hörten übrigens schlagartig auf, als Daisuke seinen Eltern eines Abends erklärte, dass ich wohl noch ein paar Monate bleiben würde.
Nach diesem Abend wurde alles anders – keine Touren mehr durch die Gegend, stattdessen ging es mit der Mutter zum Einkaufe. Kochen, Putzen, Wäschewaschen… die alltäglichen Arbeiten wurden ein Teil meines Aufenthaltes. So wurde ich vom Gast zum Familienmitglied.
Als Daisuke ein eigenes Auto hatte, führte unsere erste Tour in die Bandai-Azuma Berge, wo wir dann erwartungsvoll zum Krater des Vulkans hoch liefen.
Die Aussicht war wunderschön, aber im Inneren des Vulkans sah es enttäuschend langweilig aus – nichts zu sehen.
山 = YAMA = der Berg
Eines der ersten Zeichen, die ich im Japanischen lernte, war dieses Zeichen: 山
Es sieht ja schon aus wie ein Berg, oder nicht?
Auf Japanisch wird 山 = Yama gelesen oder als Suffix = -san, wie z.B. bei dem Wahrzeichen Japans, dem Fuji-san • 富士山. Dabei handelt es sich, wenn man es genau nehmen will, um einen Vulkan.
Berge sind toll
Ich mag Berge, vor allem der Anblick von einem mit Schnee überzogenen Berg lässt mein Herz höher schlagen.
Aufgewachsen bin ich bergfrei im platten Land Ostwestfalens. Deshalb war das Größte für mich während meiner Zeit in Japan, morgens die Vorhänge vor dem Fenster zu öffnen und auf die Berge zu schauen.
Die Natur ist mächtig, das wird mir auf Bergen immer klar. Es gibt Pflanzen und Lebewesen, die sich an die rauen Bedingungen, dem kräftigen Wind und an die kühle Höhe gewöhnt und angepasst haben.
Einen Berg zu besteigen fordert mich heraus. Das mag ich.
Durchhaltevermögen ist gefragt und selbst wenn man unterwegs denkt „Scheiße, warum tue ich mir das eigentlich an?“ stehe ich am Ende oben und weiß warum!
Der Blick von oben lässt alles andere plötzlich unwichtig erscheinen und setzt Energien frei, die einem das Gefühl geben, alles im Leben erreichen zu können. Probleme können bewältigt werden, nicht ohne Anstrengung, aber am Ende lohnt sich, wie auch im Leben, der harte Weg.
Das macht Berge für mich zu etwas Einzigartigem. Und daher freue ich mich über diesen neuen Feiertag am 11. August ganz besonders.
Der Tag des Berges kommt auch ganz praktisch daher
Weil der 11. August 2023 ein Freitag ist, verlängert er praktischerweise das Wochenende um einen Tag.
Aber was passiert wohl im nächsten Jahr?
Wenn der 11. August auf einen Sonntag fällt, wird der Feiertag doch bestimmt wieder auf einen Wochentag verschoben, oder?
Meine Schwiegermutter findet den neuen Tag übrigens klasse, auch wenn sie keinen Drang verspürt, auf Berge zu klettern.
Das hat mit einem buddhistischen Brauch zum Obon-Fest zu tun, an dem die verstorbenen Vorfahren geehrt werden.
In der Familie meines Mannes ist das ein sehr wichtiges Fest.
Update:
Für sie geht es in diesem Jahr zwar nicht zum Wandern auf die Berge, aber wie es während der Obon-Zeit üblich ist, wird die ganze Familie die Gräber der Ahnen und Ahninnen besuchen. Und praktischerweise liegt ein Friedhof auf einem Berg! Mit einem tollen Ausblick auf die Stadt Fukushima. Und das Beste: man fährt da mit dem Auto hoch!
Mein Schwager, Daisukes jüngster Bruder, lebt mittlerweile in Kyoto und hat kaum Zeit. Zwei Mal im Jahr fährt er zu seinen Eltern zurück nach Fukushima, zum Neujahrsfest im Winter und zum Obon im Sommer.
Alle freuen sich ganz besonders, wenn „der Kleine“ mal wieder nach Hause kommt.Für gewöhnlich kommt er mit dem Nachtbus Samstags angereist und fährt am Sonntag schon wieder mit dem Shinkansen zurück.
Dank des neuen Feiertages, reist er in diesem Jahr schon am Donnerstag an und verlässt Fukushima erst am Montag wieder Richtung Arbeit.
Meine Schwiegermutter ist überglücklich. Jetzt fehlt nur noch ihr Ältester, der in Deutschland Lebende, und die Familie wäre endlich mal wieder komplett.
Zum Abschluss
Ein bekanntes Sprichwort in Japan:
Fuji-san ni itchido mo noburanu baka, nido noboru baka
富士山に一度も登らぬ馬鹿、二度登る馬鹿Du bist ein Idiot, wenn du den Fuji-San nicht einmal bestiegen hast,
du bist ein Idiot, wenn du ihn zweimal besteigst.
Den nächsten nationalen Feiertag gibt es am 18. September:
敬老の日 • Keiro no Hi • Der Tag des Respekts vor den alten Menschen
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