Es gibt Menschen, die halten mich für durchgeknallt.
Andere sagen: „Nicht ganz normal.“
Ich selbst nenne es kreativ – mit Hang zum Kontrollverlust über meine eigenen Gedanken. Wobei „durchgeknallt“ trifft es schon ganz gut.
Heute Morgen zum Beispiel…
Der Klebeband-Traum
Da bin ich mitten in einem Traum aufgewacht.
Kennst du dass, wenn du träumst, es gerade richtig spannend ist und dann liegst du im Halbschlaf da und versuchst, die Geschichte zu Ende zu bringen?
Blöd nur, wenn man nicht mehr genau weiß, worum es eigentlich ging… irgendwas mit Klebeband!!!
Jetzt ist es aber so, dass ich – und da beginnt der durchgeknallte Teil des Ganzen – an Zeichen glaube.
Es kann doch nicht sein, dass ich einfach so ohne Sinn aus heiterem Himmel heraus von Klebeband träume, oder? …Von KLEBEBAND!!!
Das muss doch was zu bedeuten haben. Vielleicht wird es sogar mein Leben verändern?! Oder die ganze Welt?! Träume wollen einem doch was sagen?! Die haben doch immer eine Bedeutung!
Das ist der Moment, wenn ich die Kontrolle über meine Gedanken verliere und das Gehirn plötzlich macht, was es will.
Ich bin das schon gewohnt.
Was ich dann tue?
Mich einfach geschlagen geben.
Und so beschließe ich, den Tag heute zum Tag des Klebebandes zu erklären. Hab ja sonst nichts Besseres vor! (Den Tag des Klebebandes gibt es tatsächlich, allerdings erst am 27. Mai!)
Klebeband in Japan
Natürlich kommt mir auch gleich Japan in den Sinn.
Das schreibe ich jetzt nicht einfach so, um diesem Artikel seine Berechtigung auf einem Japanblog zu geben. Das mache ich wirklich fast automatisch. Meine Ideen haben doch meistens etwas mit Japan zu tun.
Ich sitze also auf dem Rad, während ich zu einem Termin fahre und meine Gedanken kreisen weiter um die Rolle mit den klebenden Streifen:
Japanisches Washitape, hier auch bekannt unter der MT Maskingtape • マスキングテープ fällt mir da ein. Vielleicht sollte ich dazu einen Artikel schreiben???
Der jüngere Bruder meines Mannes, mittlerweile Designer für Mode, hat damals seine kreative Phase gehabt und seine kompletten Möbel mit bedrucktem Paketklebeband versehen. Das war noch vor den Zeiten von Washi-Tape.
Washi-Tape • 和紙テープ gibt es nämlich erst seit 2006. Noch gar nicht lange her.
Washitape / Maskingtape
Das ist ein japanisches Klebeband zur Dekoration. Bunte Muster auf Papierklebestreifen, die einfach mit der Hand abgerissen werden können und sich leicht ablösen lassen.
Bei der Verwendung kann man seiner Kreativitiät freien Lauf lassen. Ich beklebe damit hier und da Pakete und Briefe, dekoriere meinen Kalender und mein Tagebuch und hänge mir damit Notizzettel an die Wand.
Aber Dekorieren mit Klebeband schien in Japan schon 2003, vor dem ersten Washitape, ein Trend bei Highschool-Schülern gewesen zu sein. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis man ein bedrucktes Klebeband aus Papier erfand, das sich leicht wieder ablösen lies. Denn ganz unter uns gesagt: Klebeband-dekorierte Möbel sehen ziemlich kacke aus und das Zeug geht nie wieder ab!
Masking-Tape, zum Abkleben beim Malern gibt es übrigens schon seit 1925 und wurde von den Amerikanern erfunden.
Aber was hat das alles mit mir und meinem Traum zu tun?
Aufkleber und Klebeband in Berlin
An jeder Ampel sehe ich mich nun also nach weiteren Zeichen um.
Und soll ich dir was sagen:
Berlin ist voller Kleber! Aufkleber an jedem Laternenpfahl, an jedem Stromkasten, an den Haustüren an Straßenschildern, auf Autos, an Fahrrädern,… so komme ich nicht voran.
Mittlerweile bin ich genervt, von meinen Gedanken und den vielen Aufklebern um mich herum. Alle paar Minuten muss ich anhalten, um mir das aus der Nähe anzusehen. Auf der Suche nach Zeichen oder dem entscheidenden Hinweis.
Bis etwas wirklich Verrücktes passierte:
Weil ich ohnehin ständig anhalte, um mir die Aufkleber anzusehen, kann ich auch endlich mal ein Foto, welches ich schon lange machen wollte:
Hat ja auch was japanisches. (Die drei Affen von Nikko und der passende Spruch „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ oder auf Japanisch: mizaru, kikazaru, iwazaru • 見ざる、聞かざる、言わざる)
Ich betrete den Hof und entdecke gerade noch so im Vorbeifahren ein Schild am Eingang des alten Industriegeländes: KLEBELAND – IHR BERLINER KLEBEBANDSPEZIALIST.
Das gibt es doch gar nicht!!!
Es gibt ein Geschäft oder besser „ein Land“, das nur Klebeband verkauft?
Wie abgefahren ist das denn? Und das gerade heute!
Zeichen bestätigt, würde ich mal sagen.
Also wird das hier vielleicht doch noch mein Leben verändern. Denn solche Zufälle haben ganz sicher was zu bedeuten.
Schließlich fahre ich nun schon fast ein Jahr einmal in der Woche hier entlang.
Im Klebeland
Drinnen empfangen mich Kleberollen – in allen erdenklichen Farben, Gaffa-Tape, braunes Paketklebeband, Klebeabroller, Duct Tape und ein Mitarbeiter, den ich einfach löchern muss mit meinen Fragen. „Haben sie japanisches Klebeband?“ – „Nein. Nur das Maskingtape.“
„Wie kommt man denn darauf, einen Klebeband-Laden zu betreiben? Nur ein Produkt. Ganz schön nischig.“
„Klebeband braucht doch jeder. Fast täglich! Und tatsächlich haben wir eine ganz besondere Kundschaft, die Tapeart kreiiren.“
TAPEART?
Hast du schon mal von Tapeart gehört? Ein paar der Bilder hängen im Laden und im Internet zeigt mir „Mister Klebeland“ die Werke anderer großer Tapeartists.
Der absolute Wahnsinn!!! Warum erfahre ich davon heute zum ersten Mal?
Vielleicht schlummert ja auch in mir ein Tapeartist?
Wer weiß. Schließlich hab ich es noch nie ausprobiert. Bin noch nie auf die Idee gekommen, Bilder mit braunem Paketklebeband zu kleben.
Bevor ich den Laden verlasse, kaufe ich noch 3 dekorative Rollen mit bedrucktem Klebeband. Kann man ja immer gebrauchen.
Auf dem Heimweg überschlagen sich meine Gedanken, ich bin ganz aufgedreht und schreibe im Kopf schon diesen Blogartikel.
Graffiti kennen so viele, aber Tapeart ist noch so gut wie unbekannt.
Die Szene ist noch sehr jung. Dabei bietet es gegenüber dem Spray viel mehr Vorteile: Unbedenktlich für Gesundheit und Umwelt, leicht zu entfernen, Klebeband haftet auf alle möglichen Materialien, kann sogar dreidimensional eingesetzt werden.
Man kann mit Klebeband unglaublich kreativ sein und sich ziemlich einfach selbst darin probieren. Ganz einfach zuhause mal ausprobieren.
Was der Niederländer Max Zorn mit ganz einfachem Paketband erschafft, ist doch irre, oder?
Mehr solcher Videos findest du auf dem You-Tube Kanal von Max Zorn.
Hier findest du mehr über Tapeart in Berlin:
Klebeland
Hier gibt es jede Menge Kleberollen, Tipps, Empfehlungen und ein paar Bilder an den Wänden.
Ritterstraße 12 – 14, Berlin Kreuzberg.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10:00 bis 18:00 Uhr.
Webseite und Onlineshop
Tape That
Tapeartist – Kollektiv aus Kreuzberg.
Einblicken der Projekte und Entstehungsvideos gibt es auf der Webseite.
Sie haben die erste Tapeart Convention in Berlin veranstaltet
Die Tape Art Convention
Eindrücke von der Convention 2017 mit Künstlern aus der ganzen Weltr.
Mal sehen, ob für 2018 auch wieder etwas geplant ist.
Zur Websteite der Tapeart-Convention.
Tapeart Workshop
Die Tapeart Academy veranstaltet Workshops in ganz Deutschland.
Für 65 € gibt es hier eine ordentliche Einführung und Materialien, mit der du dein erstes Werk erschaffen kannst. Anmeldung und Informationen gibt es auf der Webseite.
Die nächsten Termine in Berlin (Panke Culture, Gerichtsstraße 23, Berlin Wedding):
27.01.2018 >> 17.02.2018 >> 10.03.2018.
Die Klebebande Berlin
Ein weiteres Kollektiv aus Berlin, die schon viele Projekte umgesetzt haben, die du HIER finden kannst.
Tapeart Locations – Streetart in Berlin
Es ist gar nicht so leicht, Tapeart in Berlin zu finden. Gerade jetzt im Winter hält das Klebeband nämlich nicht auf den feuchten Wänden.
Daher gibt es nur ein paar:
Tapeart in Schöneberg
Bülowstrasse 94 (im Eingangsbereich eines Wohnhauses), 10739 Berlin Schöneberg.
Mehr von OSTAPARTIST findest du auf Instagram und auf der Webseite.
URBAN NATION
Bülowstrasse 7 (Museum für Urbane Kunst), 10739 Berlin Schöneberg
Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr
Eintritt FREI
Tapeart EUREF Campus
EUREF-Campus 1-25, 10829 Berlin Schöneberg (am Gasometer)
Flying Steps Academy
Lobeckstraße 30-35 (Blicjk von der Prinzenstraße), 10969 Berlin-Kreuzberg
Wie sieht es aber mit Tapeart in Japan aus?
Jetzt fehlt mir nur noch die Verbindung zu Japan!
Wie gesagt – ich halte mich für ein kreatives, wenngleich auch durchgeknalltes Köpfchen.
Da muss es doch eine Verbindung geben!
Google, Instagram und Pinterest helfen beim Kreativprozess: tapeart japan… japanese tapeart… #tapeart… #zerotape…
Tatsächlich werde ich fündig. Denn natürlich gibt es wahnsinnig viele japanische Maskingtape Artisten. Das überrascht mich nicht (wenn ich da allein an meinen Schwager denke).
Meine drei Favoriten stelle ich dir hier einmal vor:
Meine Top 3 Japan-Tape Entdeckungen
#3 MT Maskingtape Train Exhibition (Hiroshima)
MT masking tape hatten 2012 eine Ausstellung in Hiroshima „mt ex“ travels Japan.
Zwischen Hiroshima Hauptbahnhof und der Ausstellung konnte man einen mit Maskingtape dekorierten Zug besteigen. Fotos dazu findest du auf der Web-Seite des Masking-Tape Designers 居山浩二 • Koji Iyama
#2 Tapeart Kunstprojekt „Fukushima“
2014 / 2015 gab es ein ganz besonderes Künstlerprojekt, um den Menschen in Fukushima und in den Küstenregionen, die vom Tsunami betroffen waren, Hoffnung zu spenden. Daran haben sich namhafte Künstler wie z.B. Ai Weiwei beteiligt.
In Ishinomaki / Miyagi entstand unter anderem Tapeart zusammen mit den Einwohnern von der Stadt, die noch noch Jahren in temporären Containerhäusern leben müssen.
Das Ergebnis siehst du auf der Seite von Tapeart.com.
#1 Cellotapeart von Ryo Sehata.
Total abgefahren, was Ryo Sehata aus dem Zellophan Klebeband alles macht.
Und das, seit er 6 Jahre alt ist.
Aus Kinderträumen einen Beruf machen. Toll! Ich bin begeistert.
Mittlerweile hat er sogar einen festen Sponsor (natürlich einen Klebebandhersteller) und stellt seine Kunst in Ausstellungen aus.
https://www.instagram.com/p/Ba3iZd0n2k5/?taken-by=cellotape_art
Und da soll noch mal einer behaupten, ICH sei durchgeknallt!!!
Mehr seiner Austellungobjekte findest du auf seinem Instagram Accout, auf seiner Facebookseite und auf https://www.ryo-sehata.com/
>>> Aktueller Veranstaltungstipp für Tokyo >>>
Momentan läuft seine Ausstellung in Tokyo.
Wann?
Vom 8. bis zum Samstag, 20. Januar 2018, zwischen 11:00 und 19:00 (am Samstag bis 17:00 Uhr).
Wo?
Hideharu Fukasaku Gallery Roppongi
ヒデハルフカサクギャラリー六本木
〒106-0032
東京都港区六本木7-8-9
深作眼科ビル1F・B1
Der Eintritt ist kostenlos! 無料
Mehr Infos auf: http://www.f-e-i.jp
Das Ende eines Traumes | Was daraus entstanden ist…
Mein Leben hat es jetzt nicht verändert – noch nicht!!!
Als Tapeartist habe ich auf jeden Fall noch Luft nach oben!!!
Wer weiß, was da noch kommt? Sollte da noch etwas Unvorhergesehenes passieren, dann gibt es ein auf jeden Fall noch ein UPDATE.
Für’s Erste hab ich einfach nur mal wieder was Neues und wahnsinnig Spannendes gelernt und es ist ein neuer Blogartikel daraus entstanden.
Und damit das jetzt nicht alles ganz umsonst gewesen ist:
EINE ANKÜNDIGUNG
Ab jetzt wird es immer Dienstags und Donnerstags einen neuen Artikel hier auf Nipponinsider geben. Einmal in der Woche war einfach zu wenig.
dd – das Doppel-D steht ja eigentlich für eine ganz große BH Größe.
Oder für Dai & Dani.
Oder eben für die beiden Wochentage Dienstag & Donnerstag 😉
Und jetzt soll noch mal einer sagen, Träume haben nichts zu bedeuten!!!
Und wovon träumst du so? Folgst du manchmal auch einer spontanen Eingebung, ohne genau zu wissen warum?
Hahaha, das war ja einfach ein super Artikel 🙂 Persönlich, verrückt, von Hölzchen auf Stöckchen kommend, MIT Japanbezug und gelernt habe ich auch noch was, was sich bestimmt weiter zu verfolgen lohnt 🙂
Jaja, so kann es manchmal gehen… aber super, wenn du auch noch was dabei gelernt hast. Da freu ich mich.
LG Daniela
Als Tapeartist magst du noch Luft nach oben haben, als Bloggerin bist du schon große Klasse – habe mich köstlich amüsiert! Danke schön!
Vielen Dank für das schöne Kompliment 🙃
Liebe Daniela,
danke für dieses amüsanten und „mal-was-anderes“ Artikel an diesem tristen Mittwochmorgen 😉
Ich bin zwar niemand, der im Allgemeinen auf Träume viel gibt, aber einmal hat ein Traum tatsächlich ein bisschen mein Leben verändert: Da habe ich völlig aus dem Nichts von einer alten Schulfreundin geträumt, zu der der Kontakt schon vor Jahren leider abgebrochen war, obwohl wir eigentlich superdicke waren. Der Traum hat mich zwei Tage lang verfolgt, dann habe ich mich hingesetzt, sie gegoogelt, eine Mail an ihre berufliche Addresse geschickt und damit nach jahrelanger Pause den Kontakt wiederhergestellt! Inzwischen schreiben wir uns wieder regelmäßig und haben uns auch schon gegenseitig besucht. Da hat ein Traum also etwas wirklich Tolles angestoßen. 🙂
Liebe Sandy,
freu mich, dass ich deinen tristen Mittwoch etwas aufheitern konnte.
Deine Geschichte mit der Schulfreundin finde ich super. Das zeigt doch schon wieder, dass Träume zu etwas gut sind.
Liebe Grüße
Daniela
Lass mich dir sagen, ich glaube mein Kopf ist genau so durchgeknallt wie deiner 🙂
Nur, dass meiner sich nicht mit dem Herumspinnen an Ideen zufrieden gibt, sondern alles Hinterfragen muss. Gefühle, Gedanken, Logik etc. Das ist zeitweise ganz schön anstrengend. Ich glaube manchmal, meinem Kopf ist langweilig, wenn es nicht irgendein Problem gibt, dem er sich widmen kann^^
Aber zurück zu deiner Klebeband-Geschichte:
Wenn wir realistisch sind, hatte der Traum wohl nicht nur mit Klebeband zu tun. Aber da du dich nur noch daran erinnern konntest, war es wohl der wichtigste Teil. Und selbst wenn nicht, hast du doch herausgefunden, dass es auch in Berlin mehr Dinge gibt, die dich mit Japan verbinden, als du überhaupt wahrnimmst 🙂
Also Zeichen oder nicht… Es ist ein wunderbar durchgeknallter, authentischer und echter Blogartikel entstanden und du hast einen Lieferanten für Deko-Tape gefunden. Was willst du mehr von einem Traum über Klebeband? 🙂
Liebe Saran,
dann geht es also nicht nur mir so? Alles hinterfragen zu müssen ist per se aber etwas sehr positives. Da lernst du viel!
Lieben Dank für dein Feedback.
Liebe Grüße Daniela
Danke für den wirklich interessanten Artikel. Wußte gar nicht, daß es sowas in der Richtung gibt. Liebe Grüße
Mir war das auch neu. Wieder was gelernt. Und jetzt halte ich meine Augen offen, wenn ich durch dir Berliner Straßen gehe 😉
Liebe Daniela,
das ist ja klasse! Tape Art ganz ums Eck! Mit deinen Tipps kann ich mich mal wieder auf Entdeckungsreise in die eigene Stadt machen.
Danke für die amüsante Lektüre.
Liebe Grüße
Gela
Liebe Gela,
das freut mich. Auch wenn ich wenig Japan in den Bildern gefunden habe. Aber ich suche weiter…
Dein Artikel hat mir den Morgen versüßt, danke dafür!
Was der Max Zorn macht ist ja der Wahnsinn! Aber der kleine Elefant hat es mir auch angetan. In deine Tapeart erkenne ich einen kleinen Regenschirm.
Also in dem vorletzten Bild. Die beiden d’s sind ja gut zu erkennen 😉
LG Naomi
So funktioniert „Kreativität“ !!!
Toller Beitrag, liebe Grüße von Renate
Klebeband mit Fallschirmspringer! *_* Ich muss da hin! 😀