Endlich.
Es kann jetzt losgehen.
Okinawa Inseln entdecken:
In meiner Vorstellung schwinge ich mich frisch und fröhlich auf mein neu erstandenes Mountainbike und radle damit beschwingt über die Inseln.
Unter blauem Himmel bei Sonnenschein genieße ich den frischen Wind, der mir um die Ohren weht. Ein bisschen Farbe könnte meiner käsig weißen Haut auch ganz gut tun.
Immer an der Küste entlang, mit Blick auf’s herrlich blaue Meer mache ich so täglich meine Kilometer und lasse die Landschaft an mir vorbeiziehen.
Dann geht’s in mein kuscheliges Zelt, das ich irgendwo am Meer in einer einsamen Bucht aufgestellt habe. Während ich den Wellen lausche, schlafe ich erschöpft und glücklich ein.
Morgens erfrische ich mich im Meer, packe meine Sachen auf’s Rad und dann geht es beschwingt weiter.
Ohne Plan einfach drauf losradeln und wenn mir eine Stelle gefällt, bleibe ich und gehe auf Entdeckungstour.
Die Realität
Die sieht dann doch etwas anders aus.
Das Fahrrad ist viel zu schwer bepackt. Ich habe ständig Angst, der kleine Gepäckträger könnte jeden Moment unter der Last zusammenbrechen.
Mein Rucksack, Zelt und 3 Liter Wasser, das alles wiegt bestimmt schon 15 Kilo.
Als wäre ich nicht schon überladen genug, besteht der Besitzer meines Guesthouses darauf, dass ich seine Schnorchelausrüstung einpacke, wenn es auf die Inseln geht.
„Das ist hervorragendes Schnorchelgebiet. Das darfst du auf keinen Fall verpassen. Es ist DAS Highlight auf Akajima. Was willst du sonst da machen?“ damit drückt er mir eine riesen Tasche mit Schnorchel, Maske und Flossen in die Hand.
So bepackt quäle ich mich mit dem Rad durch die Mittagshitze zum Fährhafen. Mit dem Fahrtwind geht es einigermaßen, sobald ich aber an einer Ampel stehen muss, fließt der Schweiß in Strömen über mein gerötetes Gesicht. Immerhin hat das mit dem Farbe-bekommen schon mal geklappt.
Erste Herausforderungen mit dem Rad
Aber die richtige Herausforderung wartet auf mich, als ich mein schweres Rad die viel zu steile Rampe ins Innere der Fähre hieven soll.
Von allen Augen beobachtet, schiebe ich das schwere Ding die Rampe hoch. Irgendwie ein cooles Gefühl, wenn’s nicht so anstrengend wäre. Ich tue gelassen, innerlich denke ich aber „Ouff, ist das schwer! Hoffentlich kippe ich damit nicht hinten rüber!“
Dort zwischen LKWs und Autos muss ich mir einen Platz suchen, an dem ich mein Fahrrad anlehnen und sicher befestigen kann. Das Rad einfach zusammenklappen und mit nach oben an Deck nehmen – undenkbar. Aber eine Extragebühr für’s Fahrrad bleibt mir trotzdem erspart. Klapprad bleibt Klapprad.
Es ist heiß hier unten und es riecht nach Abgasen und Benzin. Also schnell weg. Ich muss mich noch einlesen in mein heutiges Ziel, welche Strecke ich fahren will und was es Schönes auf Akajima zu erkunden gibt.
Akajima liegt nur 25 km südwestlich von Naha, der Hauptinsel von Okinawa. Mit dem Speedboot geht es deutlich schneller, aber die Fähre braucht dafür 1,5 Stunden, die schnell vergehen, während ich lese:
Infos zu Insel Akajima
- Berühmt ist die kleine Insel für seine tollen Tauchgebiete
- Hier lebt eine ganz besondere Reh-Art und man sieht sie sogar im Meer baden. Die Kerama-Hirsche gibt es nur hier auf der Insel in dieser Form.
- Zelten ist am Strand verboten (Na toll!)
- Es gibt Habu in 3 Formen: als Schlange, als Qualle und als Spinne (es wird vor der großen Baumspinne gewarnt)
- In den Wintermonaten kann man hier Wale mit ihrem Nachwuchs beobachten.
- Es gibt keine Hotels, sondern nur ein Guesthouse und eine private Zimmervermittlung.
- Beliebter Tagesausflug, um die wunderschönen Strände zu sehen und zu schnorcheln. (Ausrüstung mitbringen, hier gibt es nichts zu kaufen.)
- Außer ein paar Restaurants, einem kleinen Supermarkt und ein paar Getränkeautomaten gibt es auf der Insel wirklich nicht viel.
- Auf Akajima leben rund 240 Menschen.
- Akajima besteht aus 3 Inseln, die mit Brücken verbunden sind.
- Auf der Nachbarinsel Geruma (慶留間 ) leben etwa 80 Menschen
- Auf der letzten wohnt niemand. Da gibt es nur einen kleinen Flughafen, das ist alles. Der ist aber nicht mehr in Betrieb.
- Akajima 阿嘉島 bedeutet soviel wie „die Insel der wertgeschätzte Winkel“.
- Der Nishihama Beach • 北浜ビーチ gehört zu den schönsten Stränden der Okinawa Inseln vielleicht sogar zu den schönsten in ganz Japans.
Die Ankunft in einem blauen Paradies
Herrlich blaues Wasser empfängt mich bereits am Hafen, zusammen mit einer handvoll Einwohner, die mir freundlich zunicken. Unter dem „Willkommenskomitee“ befindet sich auch ein Polizist.
Dass ich mit dem während meines zweitägigen Aufenthalten noch einige Male zu tun haben werde, ahne ich zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht.
Wege suchen, Wege finden
Jetzt gilt es aber erstmal, das Rad heil wieder die Rampe herunterzubekommen. Dabei sind wieder alle Augen auf mich gerichtet.
Ganz cool bleiben und alle Kräfte mobilisieren. Es klappt. Ich schwinge mich auf’s Rad und fahre los – zur 10 Meter entfernten Infotafel. Ich habe nämlich keinen Schimmer, wohin ich eigentlich fahren soll.
Beim Blick auf die Tafel muss ich dann doch etwas grinsen, denn es gibt nur 2 gepflasterte Straßen auf der Insel und eine Brücke, die auf die Nachbarinsel führt. Der Rest besteht aus sandigen Fußwegen. Na toll.
Kartenansicht auf Google Maps ansehen.
Achtung bei der Inselwahl!
Wenn die Insel zu klein zum Radfahren ist
Ich fahre dann einfach mal los.
Straße Nummer eins entpuppt sich hinter der Kurve als steile Schotterpiste, die erst noch gebaut werden will. Irgendwann ist Schluss. Nur ein kleines Schild weist auf eine Strandbar hin. Das Fahrrad lasse ich also stehen und gehe zu Fuß die 1000 Stufen an den Strand.
Nicht viel los hier. Ich bin fast alleine. Der Besitzer der Bar trommelt einsam vor sich hin und springt begeistert auf, als er mich erblickt.
Die Speisekarte hier ist überschaubar. Ich bestelle Tako-yaki (Bällchen mit Tintenfisch gefüllt) und leiste den Krabben am Strand Gesellschaft, bis mein Essen kommt.
Neben meinem Essen bekomme ich hier den Hinweis, wo ich am besten Zelten kann: Überraschung! Einfach die Straße zurück zum Hafen und in die andere Richtung weiterfahren!
Vorsichtig geht es den steilen Schotterweg wieder bergab. Mit meinem schwer beladenen Rad gar nicht so einfach. Und dann sehe ich sie: die neu gepflasterte Straße. Ich fahre bis zum Ende und auch hier gelange ich wieder an einen Strand. Dieser ist gut besucht, mit Duschen, Klos und Beobachtungsturm für die Lifeguards.
Auf einem kleinen Weg geht es weiter und ganz am Ende finde ich ein nettes Plätzchen unter Bäumen für mein Zelt. Von hier führt sogar ein kleiner Weg runter zum Strand und hinter mir befindet sich an einem Berghang ein Wald.
Toll, so hatte ich mir das vorgestellt.
Der Blick über das Meer ist einfach traumhaft von hier oben.
Das Zelt ist schnell aufgebaut, ich laufe einmal runter zum Meer, um mich kurz abzukühlen und die Schnorchelausrüstung auszuprobieren.
Dann geht es mit dem vom Gepäck befreiten Rad wieder auf die andere Seite der Insel zur Strandbar. Da möchte ich mir den Sonnenuntergang beim Essen und einem kühlen Bier.
Innerlich angekommen
Mit dem leichten Rad kann ich mich jetzt auch endlich entspannen. Die Insel habe ich so gut wie erkundet. Morgen nochmal über die Brücke gefahren und dann bin ich durch.
Das Zentrum bildet der Hafen und ein winzig kleiner Supermarkt, der aber, immer wenn ich dran vorbei geradelt bin, geschlossen hat.
Ich hebe meine Bierdose und stoße mit mir selbst an, auf den ersten Tag meiner Radreise.
Alles andere war Vorbereitung, aber jetzt bin ich unterwegs.
Allein.
Nur mein Fahrrad, mein kleines gelbes Zelt und ich.
Ganz alleine
Dabei kommt mir gerade ein erschreckender Gedanke:
Auch wenn ich immer so cool und unerschrocken tue – ich habe noch nie in meinem Leben alleine gezeltet!
Einsame Bucht und so, ist ja alles schön und gut, aber wenn mir da was passiert, dann hört mich wahrscheinlich kein Mensch. Und wenn ich von der Schlange gebissen werde, dann ist da niemand, der mir das Gegengift verabreichen kann.
Daran habe ich gar nicht gedacht.
Mist.
Ich muss jetzt ganz schnell zurück zum Zelt und erstmal prüfen, ob ich an meinem einsamen Fleckchen auch Handy-Empfang habe.
Es ist bereits dunkel, als ich am Zelt ankomme.
Hier drinnen ist es heiß und meine dünne Luftmatratze ist alles andere als bequem, aber da muss ich jetzt die nächsten Wochen durch.
Um mich herum knistert und knarrt es. Ich höre es unentwegt rascheln. Von Weitem dann auch noch ein Motorengeräusch und Schritte.
Scheiße, da kommt jemand. Und ich hier ganz allein.
Nach Hause telefonieren
Schnell rufe ich Daisuke an und als ich seine Stimme höre, geht es mir etwas besser. Er erzählt von seinem Tag und lenkt mich so ein bisschen von den unheimlichen Geräuschen um mich herum ab. „Da draußen schleicht jemand um mein Zelt! Ich habe eben auch Licht gesehen. Was soll ich jetzt machen?“
„Dann geh raus und schau doch einfach mal nach, wer das ist!“, lautet die kluge Antwort meines Mannes, der 2000 km entfernt gemütlich in unserem Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzt.
Dann ist es plötzlich wieder ruhig.
Nach dem Telefonat versuche ich zu schlafen. Aber die Geräusche um mich herum beunruhigen mich.
Also gut. Schau ich halt mal nach.
Vorsichtig öffne ich den Reißverschluss meines Zeltes und schaue raus. Und da steht direkt neben meinem Zelt ein Reh. „Bestimmt eines der seltenen Kerama Rehe!“ geht es mir durch den Kopf und ich zücke die Kamera. Ein Beweisfoto ist im Kasten. Dann ist das Reh auch schon wieder verschwunden.
Unruhige Nacht
An tief und entspanntes Schlafen ist in dieser Nacht nicht zu denken. Immer wieder höre ich ein Auto heranfahren, Türenschlagen und Schritte. Dann die vielen Geräusche und das Rascheln an meinem Zelt. Ob die Habu-Schlange sich hier auch im Gebüsch versteckt?
Gegen 3 meldet sich meine Blase. Aber durch die tiefe dunkle Nacht zur Toilette, das traue ich mich nicht. Nicht, solange ich nicht weiß, was da draußen alles so rumkriecht. So liege ich bis zur Dämmerung morgens um 5 wach, erst dann traue ich mich aus meinem Zelt
Nach dem Toilettengang setze ich mich mit meinem Frühstück, einer Banane, vor’s Zelt und warte auf den Sonnenaufgang. „Jetzt was Ordentliches frühstücken.“, geht es mir durch den Kopf. Aber wo?
Da ist es plötzlich wieder. Das Geräusch eines Auto, die Tür und dann die Schritte. Ich bekomme Besuch. Jetzt bin ich aber gespannt.
Der Polizist, den ich bei meiner Ankunft am Hafen gesehen habe, kommt lächelnd auf mich zu und grüßt freundlich: „Ohaiyo gozaimasu“.
Guten Morgen, Polizist!
„Bestimmt ist zelten hier nicht erlaubt und jetzt gibt es Ärger!“
Nein, ganz im Gegenteil. Der Polizist erklärt mir, dass er beobachtet habe, dass ich hier alleine in meinem Zelt schlafe und hat während der Nacht immer mal wieder nach mir gesehen. „Haben sie denn keine Angst? So ganz allein!“
Dass er mir damit einen riesen Schrecken eingejagt hat, verschweige ich in dem Moment, sondern bedanke mich brav für seine Fürsorge. Er reicht mir ein Onigiri und wünscht mir einen schönen Tag auf der Insel.
Wie lieb. Ich bin überwältigt. Ein Reisbällchen ist genau das, was ich mir gerade gewünscht hatte.
Bevor er sich verabschiedet, versichert er mir, immer mal wieder nach mir zu schauen. Ob es hier irgendwelche gefährlichen Tiere gebe, will ich noch schnell wissen.
„Nein, jetzt im Hochsommer hat sich die Habu-Schange in die Berge verzogen, in die schattigen Höhlen. Da sollten sie aber besser etwas vorsichtig sein. Und im Moment gibt es auch keine Probleme beim Baden im Meer mit den unliebsamen und giftigen Habu-Quallen.“
Apropos Meer
Das ist ein gutes Stichwort und mein Plan für den Tag steht: Sonne, Strand, Meer und Fische gucken.
Unter einem gemieteten Sonnenschirm kann ich endlich den verpassten Schlaf nachholen.
Ohne die Schnorchelausrüstung hätte ich die fantastische Unterwasserwelt hier auf der Insel komplett verpasst.
„Was bin ich doch für ein Glückspilz.“, denke ich, als ich mit dem Fahrrad nach einer weiteren Erkundungstour abends zur Strandbar auf die andere Seite fahre, um meine Takoyaki, die Oktopusbällchen, zu essen. Dazu ein kühles Orion Bier und der Plan für morgen:
Ganz früh aufstehen und zum Sonnenaufgang zum Aussichtspunkt oben auf den Berg laufen.
Aussicht auf Akajima, Meer und mehr
Ich schlafe in dieser Nacht hervorragend. So gut, dass ich den Sonnenaufgang leider verpasse.
Mein Freund, der Polizist, kommt am Morgen, um mir mein Frühstück zu bringen – heute sind es zwei Bananen. Das hat er sehr gut beobachtet.
Den Berg bin ich dann etwas später rauf und auch ohne Sonnenaufgang ist der Blick über die Insel einfach herrlich. Ich schaue auf die Straßen unter mir. Das alles habe ich mit dem Fahrrad erkundet.
Gesamtstrecke in 2 Tagen auf der Insel: Naja… so etwas über 5 km.
Von hier oben kann ich bereits mein heutiges Ziel sehen: Die Insel Zamami.
Die ist größer, hat richtig viele Straßen, ist daher ideal zum Fahrradfahren, mit wunderbaren Panoramablicken. Und es gibt sogar einen großen Campingplatz, wo ich nicht mehr alleine sein werde. Es soll einfach zauberhaft sein.
Das alles erzählt mir der liebe Polizist vor meiner Abreise.
Als die Fähre sich wenig später in Bewegung setzt, winkt er mir und den anderen Gästen noch lange hinterher.
Um einen Eindruck von den Insel Akajima und Zamami zu bekommen, habe ich ein wunderschönes Video auf dem Blogartikel zu Okinawa von Tinontour.com entdeckt.
Aka Island (Kemaran Islands; Okinawa / Japan; 2013) from tinontour.com on Vimeo.
Radtouren, Ausblicke, Campingplatz und weitere tolle Begegnungen gibt es dann im nächsten Teil:
Geschichten einer ganz besonderen Japanreise | Okinawa mit dem Fahrrad
2005 bin ich mit dem Fahrrad für einen Monat in Okinawa gereist. Damals arbeitete ich als Englischlehrerin an einer japanischen Junior-Highschool in Fukushima und hatte den Sommer frei. Meine Anreise mit Regionalzügen und Containerschiff, die Suche nach einem geeigneten Fahrrad und was ich noch auf dieser unglaublichen Reise erlebt habe, kannst du hier nachlesen:
Wow! Was für ein Abenteuer 😀 Gezeltet habe ich ja schon seit 15 Jahren nicht mehr und hätte durchaus mal Lust darauf… Dein Erlebnis mit dem Polizisten am Morgen ist auch cool! Zum Glück ist ja aber alles gut gegangen!
Liebe Grüße
Barbara
15 Jahre. Das schreit ja förmlich nach einer Nacht im Zelt.
Ist es nicht immer wieder so auf Reisen, dass am Ende alles nur halb so dramatisch ist, wie es sich anfangs anfühlt?
Hallo Daniela, du bist ja mutig, ich hätte so eine Angst gehabt, allein bei dem Reh hätte ich mich wahrscheinlich schon zu Tode erschreckt 🙂
Ich finde es aber wirklich süß von dem Polizisten, dass er nach dir geguckt hat.
Hallo Sandra,
das vom Polizisten finde ich immer noch rührend. Habe ich so nie wieder erlebt.
Liebe Grüße
Daniela | Nipponinsider
Meinen großen Respekt, dass du das Abenteuer mit dem Fahrrad angegangen bist. Dazu gehört durchaus Mut.
Das weiß ich, weil ich eine ähnliche Tour vor zwei Jahren gemacht habe.
Ich würde es wieder tun. Aber es war schon eine Überwindung damals.
Ja, das mir der Überwinden kenne ich. Aber nicht groß nachdenken, einfach machen, was man gerne machen möchte 😉