Niemals Japan – Buchrezension

Buchrezension Was sie dachten, niemals über Japan wissen zu wollen! oder Kurz niemals Japan. Buch auf Tatami mit Logo Nipponinsider | japanblog

Der Titel liest sich etwas sperrig: Was Sie dachten, NIEMALS über JAPAN wissen zu wollen! und als ich in meiner Buchhandlung des Vertrauens stehe, fällt er mir auch prompt nicht ein. „Irgendwas mit …Niemals Japan… von Matthias Reich… mit einem Daruma auf dem Cover…“ will ich sagen, verkneife mir im letzten Moment aber doch den Daruma-Teil. Wer kennt schon den beliebten japanischen Glücksbringer aus Pappmaché mit Namen – hier in Deutschland?

55 erleuchtende Einblicke in ein ganz anderes Land – so verspricht mir der Untertitel. Etwas Angst habe ich, als ich das Inhaltsverzeichnis aufschlage.

Angst, weil mir in diesem Moment vielleicht 55 Blogartikel-Themen verloren gehen könnten, oder ich den ein oder anderen geplanten Beitrag streichen muss, weil er hier im Buch schon in aller Ausführlichkeit beschrieben wird.

Das Inhaltsverzeichnis

Provokante Überschriften wie Japaner haben echt keinen Sinn für Naturschauspiele  oder Die Naturwissenschaften sind den Japanern manchmal komplett egal machen mich neugierig auf die Kapitel, weil ich so gar keine Idee habe, worum es hier gehen soll.

Andere Überschriften lassen mich gleich schmunzeln, weil ich genau weiß, was da kommen wird: Japaner sind einsame Spitze darin, den ersten Kontakt grandios zu verbocken oder Japaner vertragen keinen Alkohol, trinken aber trotzdem, was das Zeug hält. Da fallen mir sofort 3 bis 10 Beispiele ein.

Viele skurrilen Geschichten über Japan lese oder höre ich oft von Reisenden, die ihre ersten Eindrücke vom Land schildern. Die Schilderungen sind vermischt mit Vorurteilen und Halbwissen, das sie irgendwo in den Medien aufgeschnappt haben. In Japan suchen sie dann fast verzweifelt danach – nach den Automaten, mit der gebrauchten Unterwäsche zum Beispiel. Oder sie schlafen freiwillig in einer 2qm großen Kapsel, weil sie das bei irgendeiner Vorabend-Sendung im Fernsehen gesehen haben und weil es so abgefahren japanisch ist.
Davon lese ich im Inhaltsverzeichnis – Gott sei Dank – nichts!!!

Von diesem Buch erwarte ich auch etwas anderes – allein schon, weil mir der Autor nicht unbekannt ist. Matthias Reich lebt seit vielen Jahren in Japan und schreibt in seinem Blog Tabibito lesenswerte Artikel über den japanischen Alltag, die Politik, Wirtschaft und über die japanische Kultur. Ich schätze an dem Autor seinen Humor und die gute Beobachtungsgabe.

Tabibito bedeutet der Reisende, weil das Reisen seine Leidenschaft ist. Matthias Reich versteht es, seine Begeisterung für andere Länder rüberzubringen und dabei vieles zu hinterfragen. Seine kritische Haltung gefällt mir. Und auch, wenn ich nicht immer seine Ansichten teile, lese ich die Blogartikel gerne. Schon alleine, weil sie mich zum Nachdenken bringen.

Der Blick ins Buch

Ich mag den strukturierten Aufbau. Im Buch finde ich es sehr angenehm, dass jedes Kapitel mit einer kurze Einleitung beginnt. Diese Eingangsthese wird im Text näher erläutert. Extra Wissenswertes steht in grau hinterlegten Textblöcken und springt mich gleich an:

  • Aber…
  • Gut zu wissen
  • Harte Fakten
  • Nachgedacht…
  • Praxistipp

In vielen Büchern stören mich diese Textblöcke, weil sie den Text beim Lesen unterbrechen. Ich werde aus der Geschichte gerissen, muss mich auf Fakten einstellen und weiß nie, was ich als erstes lesen soll.

Hier ist es definitiv anders. Die Fakten stehen immer am Schluss des Kapitels und das Aber… fügt sich hervorragend in die Geschichte ein, ergänzt mit interessanten Infos und schwächt die manchmal sehr provokanten Thesen dann doch wieder etwas ab.

3 Fragen an den Autor*

1. Wie lange hast du für das Buch gebraucht?

Das Skript entstand innerhalb von drei Monaten im vergangenen Sommer – wobei fast die Hälfte innerhalb einer sehr intensiven, zurückgezogenen Woche auf der wunderschönen Insel Yakushima zustande kam.

2. War es anders zu schreiben, in dem Bewusstsein: „Das wird jetzt gedruckt!“?

Der große Unterschied lag vor allem darin, dass das Buch einem Konzept folgen sollte. Meinen Blog schreibe ich seit jeher „frei nach Schnauze“, aber bei einem Buch geht das nicht so ohne Weiteres. Das führte dann letztendlich auch dazu, dass so einiges redigiert wurde. Das Buch ist dadurch etwas „runder“, aber somit sicher auch etwas verständlicher geworden.

 3. Gibt es noch einen 56. Einblick, den du gerne loswerden möchtest, der aber vielleicht gestrichen wurde oder dir zu spät eingefallen ist?

Mir fallen da bestimmt noch mindestens 45 weitere Einblicke ein, und den einen oder anderen Einblick findet man gut versteckt unter den nunmehr 1’000 Blogeinträgen — oder in Beiträgen, die seit 2009 in der Zeitschrift Midori veröffentlicht wurden und werden.

* Matthias Reich war so nett, mir diese 3 Fragen zu beantworten. Ich war so frei , noch ein paar Links in seine Antworten zu setzen.

Aber…

Da gibt es auch ein paar Kulturenthüller, die ich nicht kenne: Von buddhistischen Mönchen, die sich lebendig mumifizieren ist da die Rede (Früher wunderte sich in Japan niemand über Mönche, die in Erdlöchern saßen) oder dann die Sache mit den Sekten in Japan (Japan ist das Land, in dem in Puncto Glaube alles geht).

Manchen Thesen möchte ich gerne ein paar eigene  Aber… hinzufügen, wie beim Kapitel über den Musikgeschmack der Japaner (Japaner mögen es sehr, sehr seicht), wo ich von anderen Erfahrungen berichten kann – Gott sei Dank.
Auch beim Kapitel über Die schönste Nebensache der Welt kann in Japan so richtig kompliziert werden hätte ich ein paar Einwände.

Es bleiben also noch ein paar Blogartikel, in denen ich mich austoben kann.

Was zu meckern hab ich aber auch

Der Titel gefällt mir nicht. Was Sie dachten, niemals über Japan wissen zu wollen! ist mir einfach zu lang, zu verdreht und die Ansprache mit Sie ist mir zu unpersönlich.

Der CONBOOK Verlag hat sich sicherlich etwas dabei gedacht, denn dort entsteht gerade eine neuen Buchreihe: Niemals Niederlande und Niemals Russland gibt es bereits. Und immer sind es 55 erhellende Kapitel über das jeweilige Land.

Fazit: Wie für mich geschrieben

Das Buch ist definitiv für alle wie mich, die sich das Land gerne schön reden.

Nach 6 Jahren in Japan, lebe ich mittlerweile wieder in Deutschland. Aus der Entfernung sieht Japan bunter und schöner aus, als ich es tatsächlich damals wahrgenommen habe. Ich habe mich gut mit dem Leben in Japan arrangieren können, gar keine Frage. Ich habe gerne in Japan gelebt und vieles dort schätzen gelernt. Auf der anderen Seite habe ich mich oft über die Japaner gewundert oder geärgert. Und dann gab es die Tage, da ging mir Japan einfach nur auf die Nerven.

Der kritische Blick auf Japan geht hier in Deutschland schnell verloren. Deshalb lese ich so gerne Blogs und Bücher von Menschen, die in Japan leben und von ihre Erfahrungen erzählen.

Mittlerweile geht es mir übrigens ähnlich mit Deutschland. Nach dem Kulturschock hier freue ich mich, in Berlin zu leben, aber genervt bin ich trotzdem oft. Ich könnte dir ohne Probleme sofort 55 erleuchtende Einblicke in ein ganz anderes Land – in mein Deutschland – geben.

Und genau das gleiche steht auch im Vorwort zum Autor, dem über sein Heimatland Deutschland „mindestens genauso schnell 55 verschiedene Skurrilitäten einfallen“ würden.

Harte Fakten

Titel: Was Sie dachten, NIEMALS über JAPAN wissen zu wollen!
Autor: Matthias Reich
1. Auflage: Mai 2016Taschenbuch, 256 Seiten + E-Book inside**
ISBN: 978-3-95889-108-1
€ 9,95 [D], € 10,30 [A], SFr. 14,90 [CH] | Das E-Book ohne Printausgabe ist erhältlich für 8,99€.

**Die Print-Ausgabe dieses Buches enthält einen Code, mit dem Du die E-Book-Version einmalig kostenlos herunterladen kannst.

Praxistipp

Reinlesen: PDF-Leseprobe zum Download (vom CONBOOK-Verlag)

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14 Kommentare

  1. Wernersen

    Huhu!
    Ja…fein gemacht!
    Werde mir das Buch wohl mal zulegen.
    Mit den mumifizierten Mönchen hatte ich übrigens letztens schon mal im Fernsehen gesehen….cool…mal ne Info die ich Dir voraushabe!
    Liebe Grüße und danke für die Rezi!

    • DANKE.
      Echt? Das mit den Mönchen wusstest du? Krasse Sache, oder?

      Schreib mir später doch in den Kommentaren, wie dir das Buch gefallen hat, wenn du es gelesen hast. Würde mich interessieren.

      Liebe Grüße aus Berlin
      Daniela

  2. Schöne Buchbesprechung. Japan ist jetzt zwar nicht mein Nr-1-Land, aber ich liebe Bücher die sich auch kritisch mit Ländern befassen. LG, Meli

    • Danke, liebe Melanie.
      Japan ist auch kein klassisches Urlaubsland, das gebe ich zu. Aber es gibt viele Unterschiedliche Regionen, ob Skifahren im Winter oder Südseestrände auf Okinawa. Alles vertreten.

  3. Hört sich gut und auch etwas lustig an. Auf jeden Fall fällt mir direkt jemand ein, dem ich es schenken werden Danke für den Tipp!

    • Liebe Sabine,
      lustig muss sein bei Büchern, finde ich. Es ist aber schon sehr kritisch. Du glaubst nicht, wieviele Menschen davon träumen, nach Japan auszuwandern. Da muss man dann mal kurz die rosa-rote Brille entfernen. Denn jedes Land hat schließlich seine Ecken und Kanten.
      Liebe Grüße,
      Daniela

  4. Wenn die auch ein „Niemals Italien“ machen wollen, bin ich wohl dabei… ob ich mal ne Mail schick?! 😀

    In Sachen Musik stimm ich Dir zu – ich weiß, dass es in Japan eine große Rockabilly- und auch Punkszene gibt. Auch von Rap und Metal aus Japan hab ich schon gehört. Und das sind sicher alles andere als seichte Musikarten, aber wahrscheinlich auch einfach nicht verbreitet genug, um es als Klischee hervorzuheben. Ich mag solche Spiele mit Klischees ja ganz gern… Von daher wäre es vom Buchstil her, glaub ich durchaus auch was für meinen Lesegeschmack. Trotz holprigem Titel…

    LG Julia

    • Hallo Julia,
      Ich habe irgendwie auch immer nur Japaner kennengelernt, die die seichte Musik verabscheuen.

      Wenn du „Niemals Italien“ machst, sag Bescheid. Will ich lesen und dann fahre ich zum ersten Mal nach Italien. Das wird ein Spaß.

      Liebe Grüße
      Daniela

    • Hi Michael.

      Super. Dein Eindruck würde mich dann aber auch interessieren.
      Schreibst du dann nochmal einen Kommentar?

      Liebe Grüße
      Daniela

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