[Update: januar2020]
Seit ich verheiratet bin, stellt man mir in Japan immer DIE EINE Frage: „Habt ihr Kinder?“
Meine Antwort ist dann für gewöhnlich: „Nein. Wir haben noch keine. Wir haben gerade erst geheiratet!“ Langsam muss ich mir mal was neues überlegen, denn aus dem „…gerade erst…“ sind nun schon 12 Jahre geworden.
Karpfen am Tag des Kindes
Ohne eigene Kinder habe ich das japanische Fest für die Kinder nur am Rande mitbekommen. Auffällig sind sie ja schon, die bunten schlauchartigen Fische im Wind, die da an langen Stangen in den Vorgärten der Häuser hängen. Die großen Nylon-Karpfen heißen Koinobori • 鯉幟 und hängen über vielen Flüssen im ganzen Land.
Mit Beginn des Frühlings im März/April geht es los. Dann sieht man die ersten Karpfen aufsteigen. Bis zum 5. Mai, dem Tag des Kindes, werden es täglich mehr.
Auffällig ist auch eine Fahne aus bunten Streifen, die ganz oben hängt.
Die nennt sich Fukinagashi und symbolisiert einen fliegenden Drachen. Das alles entstammt einer chinesischen Legende: Darin schwammen die Karpfen immer besonders tapfer gegen den Strom. Damit nicht genug, mussten sie irgendwann auch einen Wasserfall hinauf und entwickelten dabei ungeahnte Kräfte, die sie zu Drachen werden ließen.
Drachen symbolisieren heute in Asien den Frühling, besitzen magische Kräfte und stehen für ein langes Leben.
Auch der Karpfen hat eine positive Bedeutung, denn gegen den Strom schwimmen heißt:
- mutig sein
- Stärke beweisen
- sich Problemen stellen
- nicht aufgeben
Das alles wünschen sich Eltern für ihre Kinder und feiern das am 5. Mai, am Kodomo no Hi • こどもの日 – bis auf das gegen-den-Strom-schwimmen, das wird in Japan nicht so gern gesehen.
Der Song zum Fest
Ein bekanntes Kinderlied fliegt einem in dieser Zeit auch ständig um die Ohren:
Etwas verwirrt hat mich das Lied anfangs schon, denn ich hatte immer gedacht, der rote Koi, im Lied Higoi genannt, stehe stellvertretend für die Mutter und dann erst folgen die Kinder.
Meine japanische Schwiegermutter winkt nur ab und erklärt mir dann: „Da gibt es keine klaren Regeln. Das macht jeder, wie er will. Aber meistens bekommt auch die Mutter ihren Koinobori. Auch wenn so ein Windkoi ganz schön teuer ist.“
Ursprünglich bekamen nur die Söhne einen Windkoi, denn die Mädchen hatten ja am 3. März ihr eigenes Fest, Hinamatsuri, das Puppenfest.
Mittlerweile hat sich da etwas verändert. Eltern sind auf jedes ihrer Kinder stolz, egal ob Sohn oder Tochter. Da soll auch jedes Kind in der Familie einen Koinobori bekommen.
Stärke, Mut und eine glückliche Zukunft wünschen sie sich schließlich für jedes ihrer Kinder, nicht nur für die Söhne.
Mehr Traditionen zum Tag des Kindes
Bei meinen Schwiegereltern im Haus steht ein kleiner Glaskasten, in dem eigentlich kleine Puppen mit Kimonos ausgestellt werden. Meine Mutter liebt solche Püppchen und da sie Kimonolehrerin ist, tragen ihre Puppen alte Miniaturkimonos, die in Originalgröße wahrscheinlich ein Vermögen kosten würden.
Mir ist nie aufgefallen, dass sie zum Kodomo no Hi diesen Schaukasten neu dekoriert.
Erst beim letzten Telefonat, erzählte sie mir, sie habe jetzt ihre Musha Ningyo • 武者人形 wieder aufgebaut. So werden die kleinen Puppen in alten Samurai-Rüstungen mit ihren traditionellen Helmen genannt. Auch unter dem Namen Gogatsu Ningyo • 五月人形 • die Mai-Puppen bekannt, habe ich die Puppen all die Jahre komplett übersehen.
Noch mehr Traditionen
Am Kodomo no Hi gibt es etwas Besonderes.
Mein Schwiegervater war es dieses Mal, der mich darauf hinwies, dass man traditionell in einem Bad mit Badezusatz badet: Shoubu • 菖蒲. Das sind Irisblüten. Shoubu • 尚武 bedeutet gleichzeitig aber auch der Kriegerische Geist. Kleines Wortspiel also.
Hintergrund des Bades in Irisblüten ist aber noch ein anderer. Denn wir befinden uns mit dem 5.5. wieder an so einer Schwelle zu einem Jahreszeitenwechsel. In diesem Fall Tango no Sekku • 端午の節句.
In Japan gibt es 5 Trennungen zwischen den Jahreszeiten, die sogenannten Go Sekku • 五節句 die gefeiert werden wollen: 1.1. • 3.3. • 5.5. • 7.7. • 9.9.
Der Wechsel der Jahreszeiten bringt eine Umstellung für den Körper mit sich.
Das bedeutet, wir werden anfälliger für Krankheiten. Das Bad im Irisblüten-Wasser soll unsere Gesundheit und Abwehrkräfte stärken und Krankheiten mit seinem Shoubu bekämpfen.
Wenn ich solche Dinge erklärt bekomme, dann ist es übrigens nicht so, dass ich das alles gleich auf Anhieb verstehe. So gut ist mein Japanisch nämlich nicht. Shoubu hat mir mein Mann versucht zu erklären, aber am Ende hab ich das einfach im Wörterbuch nachschlagen müssen.
Viele japanischen Wörter werden gleich ausgesprochen, haben aber unterschiedliche Schriftzeichen. Eine Verbindung zwischen den zwei Bedeutungen auszumachen, wie in diesem Fall die Iris-Blüte und der kriegerische Geist, fällt mir nicht leicht. Auf der anderen Seite ist es unheimlich interessant.
Das Essen zum Fest
Das Besondere des Kodomo no Hi sind die Köstlichkeiten, die man in diesen Tagen kaufen kann. Die schmecken nicht nur Kindern, sondern allen, die auf japanische Mochi und klebrigen Reis stehen:
Kashiwamochi • 柏餅
Das sind die klebrig, etwas gummihaften Reiskuchen, gefüllt mit süßer Rote-Bohnen-Paste. Sie werden in Eichenblättern gewickelt, verkauft. Denn Eichenblätter symbolisieren in Japan das Fortführen von Generationen. Ein Eichenblatt fällt nie vom Baum, bevor nicht ein neues gewachsen ist.
Die Blätter isst man übrigens nicht mit!!!
Chimaki • 粽
Das ist Mochireis, in ein Bambusblatt gewickelt. Das Bambusblatt dient auch hier lediglich der Verpackung und gibt dem Reis ein gewisses Aroma. Eigentlich hat Chimaki wenig Geschmack, aber in japanisches Sojamehlpulver – Kinako-Pulver – getunkt… einfach köstlich. Ein Rezept dazu habe ich HIER gefunden.
Zwei Dinge bleiben für mich noch ein anderes Mal zu klären:
- Die Rolle des Kindes in Japan. Dazu wollte ich ursprünglich schreiben, weil ich dachte: „Tag des Kindes? Soviel gibt es da ja nicht zu erzählen!“
- Warum werden Geschwister in Japan gerne wie Zwillinge gekleidet??? Hast du vielleicht eine Idee?
Wo ein Kind ist, da ist die Mutter auch nicht weit: Sonntag ist Muttertag!
Der nächste Festtag ist am 7.Juli:
七夕祭り • das Tanabata Festival • das Sternenfest
Da tauchen die Fukinagashi – die Winddrachen – auch wieder auf.
Der nächste nationale Feiertag ist am 23.Juli:
海の日 • Umi no Hi • Der Tag des Meeres
Da wird mir gleich klar, weshalb der Karpfen so ein beliebtes Tattoomotiv bei Japan-Stil-Liebhabern ist (außer in Japan, da ist das ja nicht so ganz gern gesehen…). Den Hintergrund dazu zu kennen, könnte mich fast dazu verleiten, mir auch einen stechen zu lassen. 😉
Gut, übrigens, dass langsam von der Tradition Abstand genommen wird, Söhnen mehr Wert zuzuschreiben, als Töchtern. Wurde Zeit. In diesem Sinne: Ein Hoch auf die Kinder.
Ja, ein erster Schritt zur Gleichberechtigung in Jpaan ist getan. Leider ist es noch ein langer Weg. Genau wie Tatoos in Japan. Aber auch da tut sich bei den jungen Menschen was.
und mein Bruder hat am 5. Mai Geburtstag. Da habe ich nun ja gute, neue Infos 😉
Dann nochmal Herzlichen Glückwunsch nachträglich an deinen Bruder 😉