[Update: 08. Oktober 2023]
Heute lüfte ich eines meiner dunklen Geheimnisse.
Ich muss nicht, aber seit Jahren trage ich ein schlechtes Gewissen mit mir herum.
Ich hab das mit der deutschen-Kultur-in-Japan-präsentieren damals ordentlich verkackt. Tut mir wirklich Leid.
Aber bevor wir zu dem dunklen Tag in meinem Leben kommen, ein paar Infos zu dem Feiertag.
Was wird gefeiert?
Na, ganz klar.
Japanische Kultur – im weiten Sinne.
Das ist für mich Kunst in seiner vielfältigsten Form:
Malerei, Fotografie, Kalligrafie, Theater (wie No oder Kabuki), Origami, Ikebana (das Blumenstecken), Wabi-Sabi, Musik, Instrumente (wie Taiko oder Samisen), Essen, Bento, Tee, Sake, Sprache, Filme, Dichtkunst, Literatur, Mangas, Anime, Lolita, Cosplay, Otaku, Pachinko, Spiele (wie Go oder Shogi), Sumo, Sportarten (wie Judo, Kendo, Karate), Samurais, Wohnen (wie Tatami, Shoji oder Kotatsu), Kleidung (wie Kimono, Yukata oder Geta), Bonsai, Kois, Temple, Burgen, Schreine und bestimmt habe ich noch 1000 Dinge vergessen.
Kunst ist doch am Ende alles, was der Mensch im Stande ist zu erschaffen. Und Kultur ist alles, was ein Land ausmacht.
Japanische Kultur hier kurz mal zu erklären? Unmöglich! Nicht umsonst hab ich da ein Buch zu geschrieben.
Ach, weißte was?
Ich erzähl‘ dir einfach, was an diesem Tag so abgeht, wie ich den Tag gefeiert habe und warum ich Schuld daran bin, dass die Japaner*innen jetzt ein völlig falsches Bild von der deutschen Kultur haben.
Wann wird gefeiert?
Immer am 3. November findet der 文化の日 • Bunka no Hi als Nationalfeiertag im ganzen Land statt. Angestellte haben da in der Regel frei, aber Geschäfte haben ganz normal geöffnet. Also wieder nur ein Feiertag für einen Teil der Menschen in Japan.
Warum wird der Tag der Kultur gefeiert?
Seit 1937 werden Menschen, die etwas Besonderes für die japanische Kultur getan haben, vom Tenno ausgezeichnet. Der Kulturorden ist zwar eine nette Geste, aber für die Geehrten ist die lebenslange Rente sicher auch nicht ganz uninteressant.
Weil es heute um Kultur geht, haben einige Vereinigungen zum Gedenktag aufgerufen.
Deshalb ist der Bunka no Hi, auch
- 文具の日 • Bungu no Hi • der Tag der Schreibwaren
Definitiv japanische Kultur, die hatte ich in meiner kleinen Aufzählung ganz vergessen - レコードの日 • Recordo no Hi • der Tag der Schallplatte
Ich erinnere mich noch gut an eine Party in einem winzigen Plattenladen, mit DJs. Super Veranstaltung, man konnte sich nur leider nicht allzu frei bewegen, wischen den vielen Platten. - 漫画の日 • Manga no Hi • der Tag des Mangas
Leider nie etwas in dieser Richtung gefeiert. Kann deshalb nicht viel dazu erzählen.
Wie wird gefeiert?
Neben dem offiziellen Teil – die Auszeichnung durch den Tenno – gibt es in vielen (wahrscheinlich in allen) Gemeinden interessante Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen, Sportwettkämpfe. Außerdem sind viele Museen sind an diesem Tag kostenlos (ob alle, kann ich gar nicht genau sagen). Auch einige Schulen und Universitäten laden an diesem Tag zum „Tag der offenen Tür“ ein.
Wie habe ich den Kulturtag in Japan erlebt?
Der Bunka no Hi ist wahrscheinlich der einzige Feiertag, den ich immer fleißig gefeiert habe. Ich kann mich noch gut an die viele Culturedays erinnern.
Tag der Kultur an der Uni
Spannend fand ich den Tag der offenen Tür an der Fukudai (Fukushima Daigaku / Universität von Fukushima).
Die ausgestellten Werke waren nur halb so spannend, wie die Kunsträume selbst, in denen die Kunst geschaffen wurde (ich persönlich habe eine Schwäche für alte Druckpressen).
Mit einer Bentobox auf den Schenkeln auf dem Campus sitzend, einer Band zuhören und dabei die Studenten beobachten – irgendwie hat sich diese Erinnerung in mein Hirn gebrannt.
Wer nicht gerade an einer Uni in Japan studiert, dem empfehle ich unbedingt mal einen Einblick in das Studentenleben am Bunka no Hi.
Sport & Spiele
Japanerinnen und Japaner haben ein großes Bedürfnis, Ausländer*innen ihre Kultur zu vermitteln. Daher gab es an diesem Tag immer verschiedene Einladungen für „eine wie mich“ (eine Ausländerin).
So verbrachte ich ein ganzes Wochenende in einer Sporthalle, zusammen mit rund 30 anderen Ausländerinnen und Ausländern und 30 Japanerinnen und Japanern.
Wir lernte hier unterschiedliche japanische Sportarten, typische Wettkampfspiele und Abends dann die legendären Trinkspiele. Hier lernte ich auch ein paar meiner später besten Freundinnen kennen.
Fukushima Kultur Wochenende
Ein anderes Jahr eine andere Veranstaltung.
Wieder in einer Turnhalle geschlafen. Wieder mit einer größere Gruppe von Japaner*innen und Ausländer*innen.
Dieses mal haben wir gemeinsam gekocht und gegessen. Japanische Küche ist Japanische Kultur pur!
In der Gruppe ging es zum Kokeshi-Malen. Kokeshi, das sind die Holzpuppen, für die Tohoku so bekannt ist.
An dem Wochenende sind wir auch alle gemeinsam losgezogen, ausgestattet mit Stoffhandschuhen und Müllbeuteln, und haben Müll gesammelt. Sauberkeit gehört auch zur japanischen Kultur, genau wie der respektvolle Umgang mit der Natur.
Um die alte japanische Kultur kennenzulernen stand außerdem noch ein Ausflug nach Ouchijuku in der Minami-Aizu Region auf dem Programm. In diesem kleinen Dorf stehen noch traditionell gebaute Häuser aus der Edo Periode.
Internationale Kulturen kennenlernen
Ein anderes Mal in einem anderen Jahr sind wir (ein Paar Ausländer*innen und ich) mit dem Bus in die Berge von Fukushima gebracht worden.
Das dortige Kulturzentrum hätte ich alleine nie gefunden. Es erinnerte mich an eine evangelische Kirche (oder an ein Gebäude für eine Sekte). Es war wirklich sehr versteckt und es gab keine Fenster.
Auch hatte mir niemand erzählt, dass ich da Deutsche Kultur auf der Bühne präsentieren sollte. Vielleicht hat man mir das erzählt, nur ich hatte das irgendwie nicht richtig verstanden. Hätte ich das gewusst wäre ich da bestimmt nicht hingefahren, sondern hätte lieber wieder ein Wochenende in einer Turnhalle geschlafen.
Aber nun war ich dort, kam da auch nicht so einfach weg und sollte spontan alleine auf der Bühne vor rund 80 Menschen performen.
Ich bin wirklich kein Bühnenmensch und so ganz ohne Karaokemaschine war auch nicht im entferntesten daran denken, irgendwas mit Gesang zu versuchen.
Ich schaute mir die Kulturdarbietungen der anderen Länder an: Die Inderinnen im Sari hatten ihren Tanz wahrscheinlich monatelang geprobt, so sah es zumindest aus. Die Amerikaner, naja. die sangen ihre Nationalhymne. Die waren vielleicht ähnlich unvorbereitet gewesen wie ich, aber immerhin waren die zu fünft. Dann musste ich auf die Bühne und Deutschlands Kultur präsentieren.
Was hätte ich denn machen sollen?
Sollte euch jemals ein Japaner begegnen der beim Stickwort deutscher Kultur aufspringt und euch den Ententanz vortanzt, der dabei „Diddeldiddeldiddel düpp, Diddeldiddeldiddel düpp, Diddeldiddeldiddel düpp düpp düpp düpp düpp“ singt, dann muss ich das wohl auf meine Kappe nehmen.
Mir ist auf die Schnelle echt nichts Besseres eingefallen.
Ich entschuldige mich an dieser Stelle noch mal in aller Förmlichkeit bei Deutschland. Nicht genug, dass es eine deutsche Schunkel-Kultur gibt. Jetzt denken die auch noch, dass wir gerne mit dem Popo wackeln, wenn wir tanzen. ES TUT MIR WIRKLICH LEID!
Was hättest du denn an meiner Stelle gemacht? Wie würdest du spontan auf der Bühne die deutsche Kultur vorgestellt?
Schreib mir das doch bitte mal in die Kommentare!
Man kann ja nie wissen, wann man mal wieder in so eine Situation kommt. Den Kulturtag gibt es schließlich jedes Jahr am 3. November.
Trotz Feierabend… Geschäfte haben selbstverständlich wie gewöhnlich geöffnet.
Den nächsten Feiertag gibt es am 15. November:
七五三 • Shichi Go San • 7 5 3
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Hach ja dieser Eintrag oder zumindest Teile davon haben mir wirklich aus der Seele gesprochen. Auch ich hatte so eine Erfahrung anderer Art. Vor weg ich kann weder Takt halten noch Noten treffen, ich habe mich an räusper Schiller Ode „An die Freude“ versucht und den Anfang von “Das Lied von der Glocke” jedoch dürfte meine Performance eher an die Kurzfassung ran kommen mit
„Loch inne Erde
Eisen drin
Glocke fertig
BIM BIM BIM“
Liebe Mai,
Mut dem fehlenden Gesangstalent haben wir es gemeinsam. An ein echtes Lied hätte ich mich da nie getraut. Du hast mein vollstes Mitgefühl.
Liebe Grüße Daniela