Wie ist das gekommen? Deine Liebe zu Japan?
Ich finde das immer wieder spannend zu erfahren. Findest du nicht auch?
Als Luca mir seine Geschichte schrieb, war ich ganz hin und weg. Eine Geschichte, die Viele so oder ähnlich vielleicht sogar kennen:
Sich mit Mangas in eine andere Welt träumen. Weit weg nach Japan fliehen.
Aber irgendwann reichte ihm das Träumen nicht mehr…
Er könnte so viel erzählen: aus seiner Zeit an der Sprachschule in Fukuoka, dem Auslandssemester in Kobe, seinen vielen Reisen durch das Land und seine Leidenschaft für heiße Quellen – den japanischen Onsen.
Es wird also sicher in Zukunft noch weitere Blogbeiträge von ihm geben.
Hier erzählt Luca wie alles begann:
Wie ich nach Japan kam und warum ich zum „Onsenhunter“ wurde
Liebe Freunde,
ich nenne euch jetzt unverschämterweise mal so, da ich Menschen, die Japan lieben, schnell als solche bezeichnen kann.
In meinem ersten Bericht möchte ich euch erzählen, wie Japan das Land wurde, in dem ich eines Tages leben möchte.
Und wie ich zum „Onsenhunter“ wurde!
Aber zuerst langsam der Reihe nach….
Diese Geschichte zieht sich durch einen wichtigen Teil meines Lebens. Durch meine Schulzeit in einem Internat in Bayern.
Bevor ich aber fortfahre, habe ich an euch eine Frage. Und ich bitte euch, über diese Frage nachzudenken:
„Sind Menschen auf dem Land glücklicher als in der Stadt?“
Ich ziele deshalb darauf ab, denn als ich letztes Jahr zu meiner Winterreise nach Sendai in Tohoku aufbrechen wollte, fragte mich einer meiner Freunde an der Uni Kobe, der mir auch geholfen hatte das Busticket von Osaka nach Sendai zu buchen: „Was willst du da oben? Da ist doch nichts.“
Natürlich habe ich ihm widersprochen.
Und das bei meiner Rückkehr mit Bildern aus dem Norden widerlegt.
Doch ich konnte ihn auch verstehen. Denn ich hätte aus guter Erfahrung dasselbe zu ihm gesagt, wenn er mir erzählt hätte, er wolle ins bayrische Voralpenland fahren.
Tohoku und Bayern sind beides sehr wunderschöne Regionen mit wundervollen Menschen. Doch für einen jungen Menschen dort zu leben kann sehr bedrückend sein.
Und das war es für mich.
Ich habe meine Schulzeit auf dem Internat gehasst.
Zwar bin ich es selber gewesen, der dort hinwollte, weil ich mir um mein Lernen in der Schule Sorgen machte. Doch die Aussicht, von einem autoritären Internatsleiter gegängelt und in der Peripherie eingesperrt zu sein, will einen als Teenager nur so weit wie möglich von diesem Ort fliehen lassen.
Das habe ich dann auch.
In meinen Gedanken war ich schon längst in Japan
Ich begann Mangas zu lesen.
Jedes Mal wenn ich aus meiner eigentlichen Heimat, Mannheim, in München anreiste, kaufte ich mir am Hauptbahnhof von meinem Taschengeld die ganze Reihe der „Tsubasa Chronicles“.
Heute würde ich es als etwas zu kitschig beschreiben. Aber damals entsprach es ganz meinem Geschmack.
Auch mochte ich die Mangas von Jiro Taniguchi, der mittlerweile leider verstorben ist.
Er zeigte mir ein realistischeres Japan. Er zeigte das Leben einfacher Menschen. Wie sie zur Arbeit gingen. Wie sie ihr Leben bestritten.
Kurzum, waren die Mangas meine erste Rettung aus dieser „地獄“. Dieser Hölle.
Meine zweite Rettung
Das war, als ich herausfand, dass meine Deutschlehrerin Japanisch konnte.
Sie hatte damals – so weit ich mich an ihre Erzählungen richtig erinnere – Deutsch an der Universität Tohoku in Sendai unterrichtet. Daher konnte sie auch Japanisch.
Ich bat sie, es mir beizubringen. Und wir haben dann immer in Privatstunden mit ihren alten Lehrbüchern für Business-Unternehmen gelernt.
Das war ein richtig gutes Buch. Es hat nämlich die Dynamik in den japanischen Firmen
zwischen Angestellten und Managern sehr gut dargestellt.
Jedenfalls lernte ich so Japanisch.
Zeitgleich oder danach – ich weiß es einfach nicht mehr – mussten wir, um zum Abitur zugelassen zu werden, in Bayern ein Seminar belegen und eine Seminararbeit schreiben.
Ich hab Kunst gewählt.
Weil der Lehrer unter anderem bei der Notengebung am entspanntesten war, und weil ich mich hier wieder mit Japan beschäftigen konnte.
Ich wählte als eigenes Thema daher:
„Die Einflüsse der japanischen Kunst auf die Malerei von Vincent van Gogh.“
Ich weiß noch wie ich damals in einen Schaffensrausch gefallen bin.
Ich hab mich auch mit van Gogh ziemlich solidarisch gefühlt, als ich herausfand, dass er die Ukiyoe-Meister als eine seiner wichtigsten Vorbilder für seine Kunst sah. Beispiele findest du HIER.
Jedenfalls muss Japan für ihn damals ein ähnlicher Ort der Sehnsucht gewesen sein wie für mich.
Die Art aber wie er seine Bilder sah, imponierte mir. Zwar glaube ich, dass ihm die Ruhe und Geduld eines Ukiyoe-Malers gefehlt hat, aber er hat zumindest die grenzenlose und farbenreiche Kreativität, die einem Ukiyoe innewohnte, verstanden.
Zu diesem Anlass fällt mir immer das berühmte Zitat von Hokusai ein, als dieser sehr treffend sagte:
„Schon mit sechs Jahren war ich davon besessen, die Form der Dinge zu skizzieren. Nach meinem 50. Lebensjahr machte ich eine Reihe von Grafiken, aber alles, was ich vor meinem 70. produziert habe, ist der Rede nicht wert. Im Alter von 73 lernte ich schließlich etwas über die wahre Natur von Tieren, Insekten, Fischen und über das Wesen der Pflanzen und Bäume. Deshalb werde ich im Alter von 86 wohl mehr und mehr Fortschritte erzielt haben, mit 90 werde ich dann noch tiefer in die Bedeutung der Kunst eingestiegen sein. Im Alter von 100 werde ich einen exzellenten Rang erreicht haben, und mit 110 werden jeder Punkt, jede Linie ein eigenes Leben haben. Ich hoffe nur, dass einige Leute so alt werden, um den Wahrheitsgehalt meiner Worte zu erkennen.“
Der Blick auf Japan
In diesem Teil meines Lebens hab ich mich mit Japan erstmals künstlerisch und spirituell auseinandergesetzt.
Natürlich hat mich damals das große Erdbeben von Tohoku im Jahre 2011 mit dem AKW-Unfall von Fukushima Daiichi mitgenommen.
Die Bilder werde ich nie vergessen.
Und es war für mich nur ein Grund mehr ein Jahr später endlich nach Japan zu fahren.
Weil ich mich davon nicht abschrecken lasse. Schon gar nicht von dem dämlichen Medienhype der daraufhin folgte, und den ich nur in sehr unguter Erinnerung habe.
Ich hab damals immer Nachrichten über Fukushima gelesen. Selbst dann noch als sie immer weniger wurden. Und ich hab für mich entschieden das ich eines Tages die Präfektur Fukushima besuchen werde.
Aber ich werde keinen Tourismus in der Sperrzone machen. Nein. Das finde ich anmaßend gegenüber den Bewohnern. Wir fahren doch auch nicht in Kriegsgebiete nur um uns vor Ruinen mit einem Selfie ablichten zu können.
Ich möchte das Fukushima sehen, dass die Medien unterschlagen: Den Oze-Nationalpark und den Bandai San! Und natürlich Aizu! Und nicht zuletzt die Menschen kennenlernen.
Nun denn – zurück zur Timeline…
Jedenfalls sollte ein Jahr später 2012 – mit 19 Jahren – endlich meine erste Reise nach Japan folgen!
Zum ersten Mal in Japan
Es war in Fukuoka auf Kyushu, wo ich mit meinen Eltern eine Sprachschule für Ausländer fand. Sie baute auf dem selben Konzept auf, wie diese Sprachschulen in England, wo Ausländer für einen Monat hinfahren, um in einer Gruppe die Sprache zu lernen und am Abend mit den Leuten die Straßen unsicher zu machen.
Ich kann mich noch gut an den Farbenrausch von Bildern erinnern, der auf mich einströmte.
Ich war besessen davon Fukuoka, Kyushu… ach was ganz Japan zu entdecken.
Ich habe es geliebt.
Diese Freiheit. Jeden Tag entdeckte ich etwas neues.
Blöderweise war es Sommer. Und Kyushu ist ja ziemlich tropisch.
Ich hab schon mit dem ersten Schritt aus dem Haus geschwitzt.
In der Schule haben wir viele Aktivitäten unternommen: Wir kleideten uns in Yukata ein, lernten Kalligraphie, töpferten Teetassen und schauten uns 花火 • Hanabi, das Feuerwerk über dem Ohori Park an.
Ich hab selber im Rahmen meiner Möglichkeiten mehrere Ausflüge unternommen. Am Abend musste ich wieder bei meiner Gastfamilie sein, weshalb meine Tagestouren am Abend wieder in Fukuoka enden mussten.
So ging es nach Nagasaki und Kumamoto. Und, naja, abseits davon war ich mit Freunden in Fukuoka essen oder lernte den japanischen Alltag bei meiner Gastfamilie kennen.
Das alles endete am 25. August, an dem ich die Heimreise nach Deutschland antrat. Und für mich und Japan trat – ungewollt – eine lange Pause ein.
Die Gründe liegen, wie so oft, in der Liebe. Als ich eine Chinesin auf meiner Rückreise kennenlernte.
Das alles führte mich sehr weit von Japan weg und nach China.
Über diese Zeit rede ich ungerne. Sie sollte ganze vier Jahre dauern. In der Zwischenzeit machte ich Abitur, begann in Passau Jura zu studieren, war in China, beendete die Beziehung im Frühjahr 2015 und wechselte mit meinem beibehaltenen Jurastudium von Passau nach Hamburg.
Es genügt aber zu wissen, dass meine Gefühle und Erinnerungen für Japan immer bei mir blieben.
Sie froren in dieser Zeit lediglich ein.
Aber sie blieben. Bis heute.
Eine neue Chance
Es war im Frühjahr 2016, als ich erfuhr, dass die Uni Hamburg einen gerade sehr frischen Fakultätsaustausch mit der Uni Kobe unterhielt.
Ich hab keine Minute gezögert und das Angebot angenommen. Als Jurastudent sollte man ein Mal im Ausland gewesen sein. Und ich wollte zurück nach Japan. Und dieses Mal kamen sogar meine Eltern für zwei Wochen mit, bevor das Semester in Kobe begann.
Wir sind durch Kansai gereist, waren in Kyoto (wenn auch zu kurz), in Nara, Osaka und Shirahama in der Präfektur Wakayama.
Im Oktober begann mein sechs-monatiges Auslandssemester.
Ich hab in diesen sechs Monaten viel gelernt und gesehen. Aber das hier alles zu thematisieren, würde diesen schon sehr langen Bericht vermutlich sprengen.
Und wie ich zu meiner Japanliebe kam, wisst ihr ja nun bereits.
Abschließend zu beantworten bleibt allerdings die Frage:
温泉ハンタ – Wie ich ein Onsenhunter wurde
Es gibt ja den Begriff „Gaijinhunter“.
Darunter sind Japaner gemeint die sich auf einer Party einen Ausländer angeln wollen.
Uns eint vermutlich die Vehemenz mit der wir auf unser Ziel ausrichten.
Nur sind es halt bei mir Onsen.
Ich habe diese sechs Monate aktiv genutzt um so viele Onsen wie möglich zu besuchen. Vom normalen Sento – dem traditionell japanischen Badehaus – in Kobe, das ich besuchte, wenn ich in Unterrichtstagen viel Pause hatte, bis hin zu Onsendörfern in den Bergen von Chubu und Tohoku.
Ich bin einfach verrückt nach ihnen.
Es ist nicht nur die angenehme Wärme des Wassers das mich anzieht.
Die Ästhetik spielt auch eine verdammte Rolle: Wenn du mal im Winter in einem Rotemburo – einem Outdoor Onsen – liegst, während ein Schneesturm auf dich herabrieselt. Und du allein die Schneeflocken und den Dampf des Wassers sehen kannst, während vor dir die Silhouetten der anderen Badenden im Licht der Lampen am Abend nur noch schemenhaft zu erkennen sind, dann weißt du, dass Onsen in Japan keineswegs einfache Wellness sind.
Sie sind eine Philosophie.
Denn sie dienten mir auch als Hilfe, um mit meinem Geist weit weg vom hier und jetzt abschweifen zu können.
Ähnlich wie beim Zen ist es in einem Onsen auf eine grobe und vielleicht laienhafte Weise möglich, alle Gedanken abzustellen und für mehrere Momente sogar zu vergessen, dass man gerade nackt im Wasser liegt.
Natürlich geht das nicht zu lange.
Aber es befreit den Geist von lästigen Gedanken und Gefühlen. Und man fühlt sich dabei und danach einfach großartig.
Zugleich ist es irgendwo auch lustig und interessant, denn man lernt im Onsen viel über die menschlichen Urinstinkte.
Dort kann man sich relativ sicher sein, dass der Mensch ursprünglich aus dem Wasser kommt. Die anderen Badenden und ich kamen mir manchmal wie eine Gruppe wohlig zufriedener Nilpferde vor, die im angenehmen Wasser stundenlang verharren.
Mein Vater hat das Onsen auch schnell geliebt. Es war uns beiden auch eine riesige Hilfe um den Jetlag zu überwinden, als wir bei unserem Aufenthalt in Nara jeden Morgen um fünf Uhr im Hotel aufgestanden sind, um unseren Schlaf durch Dösen im Wasser fortzusetzen.
Kein Onsen ist wie das andere.
Wassertemperatur, Wasserfarbe, Beckengröße, Innen- oder Außenausstattung und Badeverhalten der anderen Badenden beeinflussen den eigenen Aufenthalt.
Für mich wurde es eine eigene Art spirituell reinigende Droge, die ich bei meinen Aufenthalten in Japan bis zum bitteren Ende konsumiere.
Wenn Leute mich fragen, warum ich mich nicht tätowieren lasse, antworte ich immer: „Damit ich weiterhin heiße Quellen in Japan besuchen kann.“
Natürlich gibt es auch für Tätowierte immer mehr Möglichkeiten, trotzdem reinzukommen.
In Kobe war ich sogar in einem Onsen, das von der Yakuza aufgesucht wurde. Ältere Japaner, die am ganzen Körper tätowiert sind – eine Erinnerung, die man nicht so schnell vergisst.
Soviel zum Onsenhunter.
Damit habe ich euch nun meine Geschichte und von meiner Vorliebe für Onsen erzählt.
Ich denke ich werde noch viele Dinge zu berichten haben, die ich in meiner Zeit in Japan erlebt habe.
Für heute aber bin ich fertig.
Ich hoffe mein Bericht hat euch gefallen. Vielleicht hilft euch hier ja etwas als Wegweiser für Japan.
Vielleicht habt ihr ja Ähnliches erlebt.
Ich würde mich jedenfalls über Kommentare sehr freuen.
またね! Bis bald!
Euer 瑠可 • Luca
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WARUM ICH JAPAN LIEBE
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Hallo Luca,
wirklich toller Artikel. Viel davon kommt mir auch bekannt vor. Ich selbst habe im Raum Tokio zahlreiche Onsen besucht und kann dir nur zu stimmen.
Warst du schon in Gero Onsen oder Kusatsu Onsen? Die Onsen dort haben mir sehr gefallen.
Viele Grüße aus Tokio
Tessa
Hallo Tessa,
Freut mich das dir mein Artikel gefallen hat.
Ich bin auf meiner Rückreise von Matsumoto nach Osaka bei Gero mit dem Bus vorbeigefahren.
Selber da war ich aber noch nicht. Hab mich damals eher auf die Onsen im Norden Naganos wie Hakuba oder Yudanaka konzentriert.
Von Kusatsu hab gehört und will da unbedingt nächstes Mal hin! Das Onsen im Manza Prince Hotel
hat es mir angetan. Ich werde da mal im Winter bestimmt hingehen. In Tokyo bin ich im Odaiba Oedo Onsen gewesen.
War ganz nett, allerdings hat mir der Kommerz nicht wirklich gefallen. Mit 1200 Yen war der Eintritt auch etwas zu teuer.
Dann lieber doch in ein normales Sento!
Liebe Grüße zurück aus Hamburg
Luca